Eine Aktion am 9. Mai gegen das Vergessen
Mit der Aktion „Der letzte Weg“ sollte am 9. Mai, am Tag des Sieges über das todbringende Regime der Hitlerfaschisten, an die Menschen erinnert werden, die ihr Leben verloren haben. Am Gedenkstein an der Westfalenhalle, genau dort wo sich der Eingang zum Kriegsgefangenenlager Stalag VI D befand, wurde mit den Portraits von 80 dort verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen an die Leiden und den Tod tausender Menschen erinnern. Danach machten sich die Teilnehmer*innen auf den Weg zum internationalenFriedhof. Der Weg, den die Teilnehmer*innen zurücklegten, war für tausende Menschen ihr letzter Weg. Auf dem internationalen Friedhof am Rennweg stellten die Teilnehmer*innen die 80 Portraits der Kriegsgefangenen auf. Für kurze Zeit soll mit der Aktion „Der letzte Weg“ 80 von mehreren tausend Menschen ein Name und ein Gesicht geben werden.
Am 8. bzw. am 9. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Der Sieg der Alliierten über Nazideutschland brachte ganz Europa und auch den Menschen in Deutschland die Befreiung vom Faschismus. Dieser Sieg über Nazideutschland wurde hart erkämpft, viele Menschen haben dafür ihr Leben gegeben.
Einen sehr großen Anteil an diesem Sieg hatten die Menschen aus den unterschiedlichen Republiken der Sowjetunion – heute eigenständige Länder – Die Sowjetunion und die Rote Armee erkämpften diesen Sieg unter unsäglichen Opfern. 10.000.000 Rotarmistinnen und Rotarmisten verloren ihre Leben. Mindesten 17.000.000 Zivilistinnen und Zivilisten wurden ums Leben gebracht. Jede Familie in der ehemaligen Sowjetunion hat Opfer zu beklagen.
Das „Unsterbliche Regiment“
Der Tag des Sieges über den Faschismus ist in vielen Ländern ein Tag der Freude, der besonders feierlich begangen wird. So findet seit einigen Jahren in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion die zivilgesellschaftliche Aktion „Das Unsterbliche Regiment“ statt. Die Menschen erinnern sich und bewahren so die Geschichte ihrer Familienangehörigen, in dem sie auf den Straßen und Plätzen ihrer Stadt das Portrait ihrer Angehörigen zeigen.
Diesen Gedanken haben wir am 9. Mai aufgegriffen und 80 Portraits von sowjetischen Kriegsgefangenen angefertigt, die mit mehrere tausend anderen Kriegsgefangenen in Dortmund starben.
In Dortmund befand sich ein großes Kriegsgefangenenlager, das Mannschaftsstammlager Stalag VI D. Männer aus Polen, Frankreich, Serbien, Italien waren in diese Lager eingesperrt. Das schrecklichste Schicksal hatten die sowjetischen Kriegsgefangenen, die im Lager C waren. Sie wurden rassistische verfolgt, gedemütigt und verachtet, ihnen wurden alle Rechte von Kriegsgefangenen abgesprochen. Man brachte sie zur Zwangsarbeit in die Stahlwerke und Rüstungsbetriebe im Ruhrgebiet, in die Betriebe und Einrichtungen im Sauerland und im Münsterland. Tausende überlebten die Zwangsarbeit nicht.
Sie starben im Lazarett des Stalag VI D. Ihr letzter Weg führte sie vom Stalag VI D an der Westfalenhalle über die heutige B1 zum Ausländerfriedhof, wo sie anonym begraben wurden. Heute ähnelt dieser Friedhof einem Park, die Gräber der Verstorbenen sind eingeebnet, es gibt keine Grabsteine, keine Kreuze mit den Namen des Verstorbenen.
Gegen das Vergessen
79 Jahre nach der Befreiung Europas vom Faschismus erinnern sich viele Politiker nicht mehr daran, dass Millionen Sowjetsoldaten dafür ihr Leben gaben. Gegen das Vergessen soll hier nicht mehr gelten.
Auch in Dortmund scheint diese Erinnerung nicht zu passen. Außer einem Gedenkstein gibt es keine Erinnerung an das Stalag VI D. Auf dem Internationalen Friedhof erinnert bis heute keine Grab, kein Kreuz und kein Grabstein namentlich an die sowjetischen Kriegsopfer, obwohl ihre Namen bekannt sind. Die lange geplanten Namensstelen wurden bisher nicht auf dem Internationalen Friedhof aufgestellt. Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern dazu werden nicht beantwortet
Die Stadtgesellschaft in Dortmund hat sich gegen das Auftreten von Nazis in ihrer Stadt gewehrt. Doch wer heute ernsthaft gegen Rechtsradikalismus demonstriert und nie wieder Faschismus will, muss sich erinnern, dass die Befreiung Deutschlands ungeheure Opfer der Alliierten und ganz besonders der Sowjetunion gefordert hat.