Am ersten Samstag im September findet in Stukenbrock auf dem Friedhof des ehemaligen Stalag VI K die alljährliche Gedenkstunde des Arbeitskreises Blumen für Stuckenbrock statt.
Das Stalag (Mannschaftsstammlager) VI K in der Senne wurde im Frühjahr 1941 errichtet. Ab dem Sommer 1941 wurden sowjetische Kriegsgefangene hier hergebracht. Damals bestand das Lager nur aus einer Stacheldrahtumzäunung. Tausende Kriegsgefangene kamen in den ersten Monaten um, weil es an Allem fehlte. Sie hatten keine Behausung, kein Baumaterial für Unterkünfte, kein Essen und keine medizinische Versorgung. Sie waren Repressionen ausgesetzt bis hin zu willkürlichen Erschießungen. Als der Bedarf an Arbeitskräfte im Deutschen Reich stieg, wurden die Kriegsgefangenen hier gesammelt, registriert und zum Arbeitseinsatz ins Ruhrgebiet und in den Westen Deutschlands auf die Zechen, in die Stahlwerke und in die Rüstungsindustrie gebraucht.
Der Arbeitskreis führt diese Gedenkstunde bereits seit 1967 durch und erinnert an die Leiden und das Sterben tausender Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion. In den Anfangsjahren erlebte dieses Gedenken viele Anfeindungen. In diesem Jahr sprach Eugen Drewermann zu 50 Menschen, die trotz Corona-Beschränkungen gekommen war. Bereits in früheren Beiträgen hatte er über das Verbrechen der Wehrmacht an Millionen Rotarmisten, die in deutscher Kriegsgefangenschaft an Hunger und fehlender Versorgung zugrunde gingen, gesprochen. In seiner beeindruckenden Ansprache während der Gedenkstunde kritisierte er die aktuelle Politik der Bundesregierung, die nichts für eine friedliche Politik mit Russland tut. Er erinnerte, an die lange gemeinsame Geschichte und die reiche Kultur, die Deutsche und Russen verbindet, und forderte eine Politik des Friedens mit Russland.
Seit neuestem erinnert in Dortmund ein Mahnmal an die Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs hierher verschleppt wurden und Zwangsarbeit leisten mussten.
Mahnmal zur Erinnerung an die Zwangsarbeit in Dortmund
Millionen Menschen wurden zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt
Während des Zweiten Weltkriegs wurden mehr als 13 Millionen Menschen aus ganz Europa ins Deutsche Reich verschleppt, um Zwangsarbeit zu verrichten. Darunter waren insgesamt 4 Millionen Kriegsgefangene aus ganz Europa und 5 Millionen Zivilarbeiter*innen aus der Polen, der Sowjetunion und anderen Staaten Osteuropas. Es waren sehr oft junge Frauen, Jugendliche, Mädchen und Jungen. Viele Kriegsgefangene und Zivilarbeiter*innen kamen ins Rheinland und nach Westfalen zum Arbeitseinsatz. Die Forderung nach Arbeitskräften für die Stahlwerke, die Zechen und die Rüstungsindustrie des Ruhrgebiets war enorm, denn durch die zunehmende Einberufung von Männern zur Wehrmacht herrschte Arbeitskräftemangel. Nicht nur große Betriebe, sondern auch private Haushalte, landwirtschaftliche Betriebe und Handwerksbetriebe konnten Arbeitskräfte aus zentralen Lagern bei den zuständigen Arbeitsämtern beantragen. Die Arbeitsbedingungen waren für die Menschen, die zu dieser Zwangsarbeit verschleppt wurden, sehr oft hart und die Versorgung mit allem Lebensnotwendigen mangelhaft, zudem waren Demütigungen und Bestrafungen an der Tagesordnung. Zivilarbeiter*innen, die Widerstand leisteten und sich den unerträglichen Arbeitsbedingungen widersetzten, wurden in Arbeitserziehungslagern inhaftiert.
Zwangsarbeit in Dortmund
In Dortmund mussten fast 80.000 Männer und Frauen Zwangsarbeit verrichten. Sie schufteten in mehr als 300 Arbeitskommandos und waren meistens in umzäunten Lagern, die sich auf dem Werksgelände der Zeche, des Stahlwerks oder des Rüstungsbetriebs befanden, untergebracht. Auf den Dortmunder Zechen bestand die Belegschaft zu fast 40 % aus Menschen, die Zwangsarbeit leisten mussten. Der Dortmund Hörder Hüttenverein (DHHV) gab 1945 gegenüber den Alliierten an, dass ihm 13.000 Arbeitskarten von Zivilarbeiter*innen vorliegen. Wie viele Menschen tatsächlich dort Zwangsarbeit verrichten mussten ist bisher unbekannt. Berücksichtigt man die Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge, dürften es deutlich mehr als die genannten 13.000 gewesen sein.
Auch in Dortmund wurden Zivilarbeiter*innen, die Widerstand leisteten und sich den unerträglichen Arbeitsbedingungen widersetzten, in Arbeitserziehungslagern die „KZ der Gestapo“, inhaftiert. Lagerleiter und Wachmannschaften stellte in der Regel die Gestapo. Gegen Kriegsende gab es ca. 200 Arbeitserziehungslager im Deutschen Reich. Die Arbeitserziehungslager dienten zunächst dazu deutsche Arbeiter*innen zu disziplinieren, später wurden dort hauptsächlich osteuropäische Zivilarbeiter*innen, die sich der Dienstverpflichtung widersetzt hatten, inhaftiert. Insgesamt waren zwischen 1939 und 1945 ca. eine halbe Million Menschen in Arbeitserziehungslagern inhaftiert.
Auf dem Werksgelände am ehemaligen Emschertor/Hermannstraße befand sich während des Zweiten Weltkrieges auf Wunsch der Konzernleitung auch ein solches Lager der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). inhaftiert. Im März 1945 waren in diesem Lager unterschiedlicher Gruppen von Gestapo-Häftlingen inhaftiert, von denen viele von hier aus in den Rombergpark und Bittermark gebracht und dort kurz vor Kriegsende ermordet wurden.
Der lange Weg zur Erinnerung an die Zwangsarbeit in Dortmund
Trotz der großen Zahl von Menschen, die während des Kriegs zur Zwangsarbeit nach Dortmund verschleppt wurden, erinnerte auch viele Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur sehr wenig an deren tragisches Schicksal. 2002 beantragte die VVN-BdA deshalb am ehemaligen Emschertor/Hermannstraße eine Gedenktafel anzubringen, um an das Lager und seine Insassen, aber auch an die Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen, die in ganz Dortmund Zwangsarbeit verrichten mussten, zu erinnern. Die VVN-BdA beklagte, dass diesem großen öffentlichen Verbrechen der Nationalsozialisten in Dortmund nicht in adäquater Weise gedacht werde. „Für die Stadt Dortmund, die derartig intensiv darin verwickelt ist, die aber zugleich der Verbrechen der Nationalsozialisten vielfältig gedenkt, ist es von besonderer Bedeutung, auch diesem Verbrechen im öffentlichen Raum würdig zu gedenken“.
Studierende des Fachbereichs Architektur an der Fachhochschule Dortmund lieferten 2014 Entwürfe für ein Mahnmal. Ausgewählt wurde eine 4 Meter hohe, begehbare, quaderförmige Skulptur aus Stahlblech, ein Entwurf von Pia Emde. Doch bis zur Umsetzung des Projekts sollte es noch Jahre dauern. Viel wurde über den Standort des Mahnmals diskutiert, bis schließlich der Rat der Stadt im Frühjahr 2019 den Beschluss fasste das Mahnmal auf der Kulturinsel im Phönix-See zu erreichten. Bei der Einweihung am 10. August 2020 war viel Prominenz aus der Stadtgesellschaft gekommen. Mit dem Denkmal will die Stadtgesellschaft, nach den Worten des Oberbürgermeisters, ein Zeichen gegen Rassismus, Chauvinismus und rechtes Gedankengut setzen. Ein Transparent am Eingang der Veranstaltung zeigte die Namen der nach Riga verschleppten jüdischen Mitbürger*innnen aus Dortmund. Es ist richtig, dass an diesen Opfern erinnert wird und ihnen mit dem Transparent die Namen zurückgegeben werden. Erfreulich ist auch, dass mit dem Mahnmal am Phoenix-See ein Erinnerungsort für die vielen Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen, die nach Dortmund zur Zwangsarbeit verschleppt wurden, geschaffen wurde.
Weitere Erinnerungsorte in Dortmund schaffen
Diese Menschen haben während des 2. Weltkriegs mit den Dortmunder*innen gearbeitet. Das rassistische Programm der Nazis gab die Rechtfertigung für ihre rigorose Ausbeutung und Verfolgung. Viele sind an den unmenschlichen Lebensarbeits- und Arbeitsbedingungen gestorben oder ermordet worden, weil sie sich diesen Bedingungen widersetzt haben. Angesichts der großen Zahl von Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen aus ganz Europa konnte ihr Schicksal den Dortmunder*innen nicht verborgen bleiben.
Bis heute gibt es in Dortmund zahlreiche Orte, die für das Leben und Leiden der Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen stehen, die aber nicht im Bewußtsein der Stadtgesellschaft und den Dortmunder Bürger*innen sind. Es besteht also weiterhin Handlungsbedarf; deshalb wäre es an der Zeit, denen die aufgrund der unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager an der Westfalenhalle umgekommen sind und auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg anonym begraben wurden, ebenfalls ihre Namen zurückzugeben. Seit langem ist ein Projekt dazu geplant, es muss nun endlich umgesetzt werden.
Zum diesjährigen Gedenken an Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion, am 22 Juni 1941, kamen mehrere Organisationen in Siegburg auf dem Südfriedhof zusammen. Für diese Veranstaltung wird dort jedes Jahr etwas Besonderes geplant, so auch in diesem.
Die Stadt Siegburg hat, wie viele andere Städte auch, mehrere Grabstätten sowjetischer Bürger. Auf dem Südfriedhof gibt es einige Felder mit „russischen“ Gräbern. Wir wurden von einer Partnerorganisation eingeladen gemeinsam den Nachlass eines Siegburgers für weitere Recherchen zu übernehmen. Die Witwe und die Tochter des Verstorbenen, die selbst keine Recherchen anstellen wollten, haben das Archiv im Rahmen der Veranstaltung an Interessierte übergeben.
„Wie so oft, wurde das Gräberfeld von einem unserer Landsleute zufällig entdeckt. Zahlreiche alte Grabsteine befanden sich auf dem Friedhof, die einen verwahrlosten Eindruck machten“, so berichtete die Ehefrau. Aber dieser Zustand und die verwitterte Schrift auf den Grabsteinen war auch hier der Grund für Nachforschungen. Mehrere Jahre hat sich der Familienvater mit der Instandsetzung der Grabsteine und der Suche nach den Namen der Verstorbenen beschäftigt. Selbst als er schon im Rollstuhl saß, hat er die Inschriften auf den Grabsteinen ausgebessert. In Archiven fand er viele Dokumente und er machte einige Familienangehörige der Verstorbenen ausfindig. Trotz vieler Erfolge ist es ihm nicht gelungen alle Informationen zusammenzutragen und die Grabstätte bei der Stadt Siegburg und bei der Botschaft der Russischen Föderation registrieren zu lassen.
Und doch ergab sich ein Gegensatz zwischen dem Charakter der Veranstaltung auf dem Südfriedhof und ihrem traurigen Anlass, dem Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Dieser Vernichtungskrieg kostete 27 Millionen sowjetische Bürgerinnen und Bürger das Leben. Mehr als 100 von ihnen liegen in Siegburg auf dem Südfriedhof.
Unter Tränen und mit großer Ergriffenheit übergab die Ehefrau alle Papiere an die eingeladenen Organisationen. Wir versprachen weitere Suchaktionen.
Bei Durchsicht der Dokumente stellten wir fest, dass sich darunter auch einige „weiße Listen“ mit mehreren Anmerkungen aus dem Archiv der Stadt Siegburg befanden. Die „weiße Liste“ ist ein Registrierungspapier für Grabstätten von Kriegsopfern, das in der Nachkriegszeit vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge erstellt wurde. Die Bearbeitung der Unterlagen zeigte Unerfahrenheit im Umgang mit Dokumenten. Die Liste enthielt für jeden Namen eine sehr wichtige Information, der bisher nicht nachgegangen wurde. Hinter fast allen Namen war eine Erkennungsmarken-Nummer vermerkt. Bei ihrer Registrierung in den Lagern erhielten die Kriegsgefangenen eine Erkennungsmarke mit einer Nummer. Diese Nummer ersetzte für immer alle persönlichen Daten, wie z.B. den Namen. Die Erkennungsmarke musste immer am Körper getragen werden. Über eine solche Nummer kann man in der Datenbank bei OBD-Memorial unmittelbar auf die persönlichen Daten des Verstorbenen zu greifen. Eine weitere wichtige Information fehlte – der Vatername. So haben wir weitere Recherchen angestellt.
Zwar konnte keine vollständige Namensliste mit Korrektur der Namen erstellt werden, aber es war möglich zehn „Unbekannten“ Name zu geben. Jetzt können 110 Kriegsopfer des Zweiten Weltkriegs und 12 Opfer des Ersten Weltkriegs ordentlich registriert werden. Vielleicht wird in Zukunft eine neue Stele mit den vollständigen Namen einen Platz auf diesem Friedhof findet. Dazu wäre aber der politische Wille der russischen und deutschen Seiten erforderlich.
Sehr symbolisch ist, dass sich das Grab des Urhebers der Suche in der Nähe dieses Feld befindet.
Für viele Menschen ist die Westfalenhalle in Dortmund mit schönen Erinnerungen an bewegende Konzerte, an spannende Sportereignisse, an interessante politische Veranstaltungen und begegnungsreiche Messen verbunden. Wir sollten aber niemals vergessen, dass dieser Ort für viele Menschen eine ganz andere Bedeutung hatte. Er war ein Ort des Leides und der Not. Ein Ort wo „manche Brust ein Seufzer dehnet, will wir hier gefangen sind“, wie das Moorsoldaten Lied sagt. Und mehr noch, für tausende Menschen war es ein Sterbeort. Im Dortmunder Stadtarchiv befindet sich das Totenbuch für sowjetische Kriegsgefangene mit mehr als 3000 Einträgen über Todesfälle aus dem Stalag VI D an der Westfalenhalle. Von 1939 bis Anfang 1945 war an und in der Westfalenhalle ein großes Kriegsgefangenenlager. Mehr als 340.000 Menschen durchliefen das Lager, sie wurden zur Zwangsarbeit in Dortmunder Betrieben und im gesamten Umland, im Münsterland und im Sauerland, eingesetzt. Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen war besonders schwer.
Stalag VI D an der Westfalenhallen, die Gebäude des Lagers für sowjetische Kriegsgefangene sind rot eingezeichnet. Die heutigen der Gebäude auf dem Messegelände und die Westfalenhalle sind grau eingezeichnet
Als Nazideutschland am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, war für die Naziführung und die Wehrmacht schon klar, dass es sich um einen Vernichtungskrieg handelte. Mit dem Barbarossoerlass wurde die Zivilbevölkerung zu Opfern dieses Vernichtungskriegs. Außerdem galt für die sowjetischen Kriegsgefangenen „der Kommunist ist kein Kamerad“. Die Wehrmacht rückte von Standpunkt des „soldatischen Kameradentums“ ab und setzte sich über Internationales Recht hinweg. Von 5 Mio sowjetischen Kriegsgefangenen kamen 3 Mio in deutscher Kriegsgefangenschaft um. Das ist eines der größten Kriegsverbrechen der Wehrmacht und Nazideutschlands.
Ein Schauplatz dieses Verbrechens war das heutige Messegelände rund um die Westfalenhalle, es geschah vor den Augen der Dortmunder*innen.
Bei allen schönen Erinnerungen an diesen Ort verbinden, sollte das niemals vergessen werden. Gegen das Vergessen hatten der Förderverein Gedenkstätte Steinwache- Internationales Rombergpark Komitee, die Botschafter*innen der Erinnerung und der Historische Verein Ar.kod.M zu einer Mahn- und Gedenkstunde am 22. Juni eingeladen.
Anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus hat das Russische Generalkonsulat, vertreten durch den stellv. Generalkonsul Wladimir Kuzmin, auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund ein Blumengebinde niedergelegt. In einer kurzen Ansprache betonte er wie wichtig dem Russischen Generalkonsulat gerade an diesem Tag der Besuch dieses Gedenkortes in Dortmund ist.
Ein tragisches Kapitel in der Geschichte der Stadt Dortmund sind die Ereignisse in der Bittermark im Frühjahr 1945. Gemeint ist das grausame Verbrechen der Nazis in den letzten Kriegstagen.
Bis heute ist nicht bekannt wie viele Menschen in der Bittermark und im Rombergpark ermordet wurden. Dennoch sind viele Namen von deutschen und französischen Opfern bekannt, da ihre Angehörigen in der Nachkriegszeit nach ihnen gesucht haben. Diese Möglichkeit gab es für Angehörige aus Osteuropa und Sowjetunion nicht. Eine Identifizierung war unmöglich, den Ermordeten wurden Papiere, Erkennungsmarken oder andere privaten Gegenstände vor der Ermordung abgenommen. Sie sollten für immer anonym bleiben. Das gehörte zum rassistischen Programm der Nazis.
Da die Beweislage schlecht ist, haben wir die verfügbaren Dokumente auf eine andere Art untersucht. Was haben alle genannten Namen gemeinsam? Unsere Ergebnisse zeigen, die Ermordeten wurden aus „politischen“ oder „wirtschaftlichen“ Gründen verhaftet und zu einer Gestapostelle gebracht. Das Wichtigste aber ist, dass alle diese Namen den Vermerk „entlassen“ oder „von der Gestapo entlassen“ tragen. Die Gestapo hat diese Menschen nicht frei gelassen. Dieser Vermerk war für die Inhaftierten das Todesurteil. Die Gestapo-Akten zeigen, dass auch sowjetische Bürger *innen in den letzten Monaten mit der Begründung „politisch“ oder „Arbeitsverweigerung“ in Gestapo – Haft genommen wurden. Und mindestens 98 von ihnen haben den Vermerk „entlassen“.
Dazu gehörten: Tscherepanow, Anton Andreewitsch, letzte Meldung 02.03.1945, letzter Nachweis: von Gestapo abgeholt
Kamalow Michael Jakupwaliewitsch, letzte Meldung 19.03.1945, letzter Nachweis: 4 K entlassen
Wynetzki Iwan Egorowitsch, letzte Meldung 27.03.1945, letzter Nachweis: durch Gestapo entlassen
Haew, Iwan Petrowitsch, letzte Meldung 27.03.1945, letzter Nachweis: 4 K entlassen
Issajew, Anwar Hassanowitsch, letzte Meldung 01.04.1945, letzter Nachweis: 4 K entlassen
Seizew, Wladimir Iwanowitsch, letzte Meldung 01.04.1945, letzter Nachweis: 4 K entlassen
Litwin, Trofim Efimowitsch, letzte Meldung 01.04.1945, letzter Nachweis: 4 K entlassen
Grebenjuk, Anton Kirillowitsch, letzte Meldung 01.04.1945, letzter Nachweis: 4 K entlassen
Für die Tätigkeit des historischen Vereins Ar.kod.M e.V. ist es wichtig zu wissen, wie Erinnerungsarbeit in anderen Städten und Bundesländern aussieht. So habe ich meine Freunde in Hamburg und Umgebung besucht. Zu meinem Programm gehörten Fahrten zu Gedenkstätten im ehemaligen Wehrkreis X. Die Wehrkreise waren Verwaltungseinheiten der Wehrmacht, insgesamt gab es 18 Wehrkreise in Deutschland und Österreich. Zum Wehrkreis X gehörte Hamburg, die gesamte Nordseeküste und die nordwestliche Ostseeküste bis Lübeck sowie das Hinterland.
Bereits auf der Fahrt zu den Gedenkstätten habe ich die vielen Schilder bemerkt, die auf die Erinnerungsorte und Friedhöfe hinwiesen. Die grünen Schilder tragen drei Kreuze, das Logo des Volksbundes Deutschen Kriegsgräberfürsorge e.V.
Den Besucher*innen zeigen Hinweisschilder am Straßenrand den Weg zu den Außenlagern der KZs und den Friedhöfe. Schon auf der Straße werden die Autofahrer*innen darauf hingewiesen, wie weit es vom jeweiligen Ortskern oder vom Parkplatz zum Erinnerungsort ist.
Nach dem Besuch der
Gedenkstätten hatte ich den Gedanken „wie groß ist doch die Zahl
solcher Erinnerungsorte in Norddeutschland“. Haben die Nazis im
Norden Deutschlands noch brutaler geherrscht als an anderen Orten?
Eine Karte in der Ausstellung des KZs Neuengamme weist eine
vergleichbare Dichte von Arbeitskommandos und kleinen Lagern auf wie
in ganzem Deutschen Reich. Aber in Hamburg, Niedersachsen und
Schleswig-Holstein zeigen die Verantwortlichen an zahlreichen
Erinnerungsorten das ganze Ausmaß der Naziverbrechen. Auf allen
Friedhöfen, auf denen Kriegsopfern begraben sind, werden die
Grabplatten und die Stelen mit den Namen der Verstorbenen ständig
erweitert, wenn weitere Namen durch neue Forschungsergebnisse
vorliegen. Bei der Verwaltung der Friedhöfe liegen Dokument und
Sterbebücher. Sie sind für Interessierte zugänglich. Die Namen der
Menschen, die eingeäschert wurden, sind auf Gedenktafeln der Lager
eingetragen. In den Gedenkstätten werden in Schaukästen die
Forschungsarbeiten von Schülerinnen und Schülern gezeigt. Die
Gedenkstätten werden auch bei schlechtem Wetter gut besucht.
Lässt sich daraus
schließen, dass die Verantwortlichen im Norden Deutschlands ein
größeres Interesse und mehr Mut haben, die Verbrechen der Nazis zu
thematisieren?
Das Jahresende ist eine Zeit der
Rückschau auf das vergangenen Jahr. So blicken wir zurück und fragen, was sich
in Puncto Erinnerungsorte in Dortmund im Jahr 2019 bewegt hat. Der Gedenkstein
an der Westfalenhalle wurde wieder aufgestellt. Das freut uns. Er soll an das
Stalag VI D erinnern und an die vielen tausend Kriegsgefangenen, die von 1939
bis Anfang 1945 in der Westfalenhalle und in einen Lager auf dem heutigen
Messegelände waren. Eine Gedenkstätte auf dem Messegelände für die Menschen,
die im Stalag VI D gelitten haben und gestorben sind, fehlt bisher. Die Stadt
Dortmund ebenso wie die Westfalenhallen GmbH zeigen leider bisher wenig
Interesse an einer solchen Gedenkstätte. Wir fragen uns warum.
Aus dem Lager wurden viele tausend Kriegsgefangene an Betriebe in Dortmund und Umgebung vermittelt. Allein die Belegschaft bei Hoesch bestand während des Krieges zu mehr als einem Drittel aus Zwangsarbeiter*innen. An diese Menschen soll ein Denkmal auf der Kulturinsel im Phönix-See erinnern. Dies hat der Rat der Stadt Dortmund im Frühjahr 2019 beschlossen, auch das freut uns. Doch die Umsetzung dieses Beschlusses lässt auf sich warten. Auch der beschlossene Standort gibt Anlass für Fragen. Weshalb wurde für das Denkmal ein versteckter Ort hinter technischer Infrastruktur gewählt, statt es für die Bürger*innen sichtbar auf dem vorderen Teil der Kulturinsel zu platzieren, wo es auch vor Vandalismus geschützt wäre und zwischen der Thomasbirne und der Erinnerungstafel für das Stahlwerk Phoenix-Ost eine Geschichtsachse bilden würde.
Auch die Gestaltung eines weiteren Erinnerungsorts lässt nach wie vor auf sich warten. Gemeint ist die Neugestaltung des Internationalen Friedhofs am Rennweg. Dort sollten lange schon Stelen mit den Namen von mehr als 4400 sowjetischen Kriegsgefangenen, errichtet werden. Viele Kriegsgefangene, die in Betrieben in Dortmund und Umgebung Zwangsarbeit leisten mussten, wurden in das Stalag VI D zurückgeschickt, wenn sie von den Arbeits- und Lebensbedingungen entkräftet waren und krank wurden. Viele sind im Stalag gestorben und wurden auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg gegraben. Heute erscheint dieser Friedhof wie eine Parkanlage, die Verstorbenen scheinen vergessen. Die Stelen sollen an die Verstorbenen erinnern. Aber auch die Umsetzung dieses Vorhabens, das eigentlich noch 2019 begonnen werden sollte, macht keine Fortschritte.
Müssten nicht die
Verantwortlichen in Politik und Verwaltung in Dortmund und der Westfalenhallen
GmbH, in Zeiten sich häufender rechtsextremer Vorfälle, ein besonderes
Interesse daran haben an die Verbrechen der Nazis und die Folgen der
Naziherrschaft zu erinnern? Im Jahr 2020 ist der 75. Jahrestag des Endes des 2.
Weltkriegs und der Befreiung vom Faschismus. Wünschenswert ist,dass die
Verantwortlichen in Dortmund das Jahr 2020 für eine Aufarbeitung der
Stadtgeschichte während der Nazizeit nutzen, die bereits beschlossenen Projekte
umsetzen und Erinnerungsorte in Dortmund schaffen.
In Russland gibt es ein geflügeltes Wort „Rojal w Kustach“, „der Konzertflügel im Gebüsch“, ein- bis zweimal im Jahr wird er für ein feierliches Konzert hervorgeholt, den Rest des Jahres ist er im Gebüsch vergessen. Es besteht die Gefahr, dass das geplante Zwangsarbeiter*innen-Denkmal, das demnächst auf der Kulturinsel im Phönix-See errichtet werden soll, ein ähnliches Schicksal erleiden könnte.
Im Frühjahr 2019 fasste der Rat der Stadt Dortmund endlich einen Beschluss: das Zwangsarbeiter*innen Denkmal soll auf der Kulturinsel im Hörder Phönix-See errichtet werden. Bis zu diesem Beschluss war es ein langer Weg. Von Dortmunder Bürger*innen wird seit vielen Jahren ein Ort gefordert, der an die Menschen, die in Dortmund Zwangsarbeit leisten mussten, erinnert. Vereine und Initiativen in Dortmund setzen sich seit Jahren für die Errichtung einer solchen Gedenkstätte ein. Immerhin gab es für ein Zwangsarbeiter*innen-Denkmal einen Wettbewerb am Fachbereich Architektur der FH Dortmund und eine glückliche Gewinnerin. Doch der prämierte Entwurf landete fürs erste in der Schublade. Nachdem die Entscheidung für die Errichtung des Denkmals gefallen war, musste die Gewinnerin des Wettbewerbs erst noch ausfindig gemacht werden, denn sie hatte inzwischen ihr Studium abgeschlossen und Dortmund verlassen. Da nun die Urheberfragen geklärt waren, hätte dem Bau des Denkmals nichts mehr im Wege gestanden. Am südlichen Ufer des Phönix-Sees wurde ein Platz gefunden, doch dann kamen Einsprüche von Anwohner*innen, die den tagtäglichen Anblick eines solchen Denkmals als Zumutung empfanden. Nach dem Ratsbeschluss im Frühjahr 2019 schließlich hätte der Errichtung des Denkmals nichts mehr im Weg gestanden, zumal auch die Finanzierung gesichert ist. Es fehlen nur noch die erforderlichen Baugrunduntersuchungen. Doch nicht nur der sich ständig verzögernde Baubeginn, sondern auch der Standort auf der Kulturinsel gibt Anlass zu Fragen und Kritik.
Geplanter Standort des Zwangsarbeiter*innen Denkmal auf der Kulturinsel. Der Pfeil zeigt den von uns vorgeschlagenen Standort
Wie
zu erfahren war, soll der derzeit angedacht Standort auf Wunsch der
Stadtspitze gewählt worden sein. Unglücklicherweise wird das
Denkmal dort durch Bäume und Elektroverteiler verdeckt. Dieser eher
abgelegene Platz auf der Kulturinsel dient den Besucher*innen heute
für allerlei Zwecke. Er wird als Hundewiese genutzt, und da der Ort
schlecht beleuchtet ist, wird er nachts für private Partys und
anderes benutzt. Grund für die Standortwahl sei auch die
Zurückgezogenheit des Ortes, doch nur sehr wenig spricht für einen
solchen Standort für ein Denkmals, das an die Zwangsarbeit in
Dortmund erinnern soll. Es steht dort versteckt hinter
Infrastruktureinrichtungen und Bäumen und ist vom einzigen Zugang
zur Kulturinsel nur eingeschränkt einsehbar. Die Rasenfläche hinter
dem Denkmal könnte zukünftig verstärkt zu privaten Partys einladen
und sogar das Denkmal selbst könnte Ort nächtlicher Vergnügungen
werden. Die Lage birgt zudem die erhöhte Gefahr von Vandalismus.
Dieser Ort ist schwerlich ein Erinnerungsort, der den Menschen das
Schicksal von tausenden Zivilarbeiter*innen und Kriegsgefangenen, die
in Dortmund Zwangsarbeit leisten mussten, näher bringt.
Warum erhält ein solches Denkmal keinen exponierten Platz auf der Kulturinsel? Soll es wie der „Konzertflügel im Busch“ ein oder zweimal im Jahr als Kulisse für Gedenkfeiern dienen, statt als Teil einer Geschichtsachse für die Dortmunder Bürger*innen ein sichtbarer Erinnerungsort an die bisher leider nur teilweise aufgearbeitet Geschichte der Zwangsarbeit in Dortmund zu sein. Die Belegschaften vieler Dortmunder Betriebe und Zechen bestanden während des 2. Weltkrieges zu fast 50 % aus Zwangsarbeiter*innen. Alleine Hoesch hatte nach eigenen Angaben, aus dem Jahr 1946 gegenüber der Britischen Militärverwaltung, mehr als 13 500 Arbeitskarten von sowjetischen Zwangsarbeiter*innen.
Denkmal: Zwei Brammen aus einer der letzten Hörder Schmelzen, im Hintergrund die Kulturinsel mit der Thomas-Birne
Das Denkmal auf der Kulturinsel muss zu einem Erinnerungsort werden und zusammen mit der Thomas-Birne auf der Kulturinsel und der Erinnerungstafel für das Stahlwerk Phoenix Ost am nahen Seeufer eine Geschichtsachse bilden.
Nur wer sich daran erinnert, was gestern war, erkennt, was heute ist
Der Volkstrauertag ist heute ein Tag der Mahnung zu Versöhnung, Verständigung und Frieden.
Wir wollen zum Volkstrauertag an
die Menschen erinnern, die während des 2. Weltkriegs in Dortmunder Betrieben,
Stahlwerken und Zechen als Kriegsgefangene und Zivilarbeiter*innen Zwangsarbeit
leisten mussten. Wie groß die Zahl der Menschen war, zeigt alleine schon der
Umstand, dass auf den Dortmunder Zechen die Belegschaft zu fast 50 % aus
Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern bestand. Besonders hart war das Schicksal
der sowjetischen Kriegsgefangenen. Viele Menschen, die Zwangsarbeit leisten
mussten, überlebten das nicht. Sie sind an den harten Arbeitsbedingungen und an
der fehlenden Versorgung gestorben. Viele wurden auf dem Friedhof am Rennweg
anonym begraben. Ihren Angehörigen ist das Schicksal der Verstorbenen oft bis
heute nicht bekannt.
Der Internationale Friedhof hat heute einen parkähnlichen Charakter. Die Grabstätten, insbesondere die der Verstorben aus der Sowjetunion, die den weitaus größten Teil ausmachen, sind nicht mehr als Gräber erkennbar. Auf den Grabfeldern erinnern nur noch Obelisken allgemein an die Verstorbenen. Besucher*innen des Internationalen Friedhof können nicht erkennen, dass die Rasenflächen in Wirklichkeit Grabfelder sind. Die Verstorbenen scheinen vergessen zu sein. Durch sehr umfangreiche Recherchen ist es aber gelungen die Namen der anonym begrabenen Menschen zu ermitteln, so dass fast 4500 Namen inzwischen bekannt sind.
Ar.kod.M e.V. erinnert an sowjetische Kriegsopfer, die auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund begraben sind.
Die Stadt Dortmund plant
dankenswerterweise nun, gemeinsam mit den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
e.V., dem Büro für Erinnerungsarbeit der Botschaft der Russischen Föderation
und der Bezirksregierung in Arnsberg, die Neugestaltung dieses Teils des
Internationalen Friedhofs. Die Pläne dazu liegen seit einiger Zeit vor. Auf den
Grabfeldern, auf denen Kriegsgefangene und Zivilarbeiter*innen aus der
Sowjetunion beisetzt sind sollen 58 Stelen mit den Namen der Verstorbenen
aufgestellt werden. Leider macht das Projekt derzeit keine erkennbaren
Fortschritte, ebenso wie die Errichtung des Denkmals auf der Kulturinsel im
Phönixsee, das an die Menschen, die Zwangsarbeit in Dortmund leisten mussten,
erinnern soll. Der Volkstrauertag ist für uns Anlass an die Zivilarbeiter*innen
und Kriegsgefangenen, die in Dortmund lebten, arbeiten und starben, zu erinnern.
Wünschenswert ist deshalb für uns, dass die beiden Projekte nun zeitnah
umgesetzt werden und dadurch Erinnerungsorte in Dortmund geschaffen werden,
„denn nur wer sich daran erinnert, was gestern gewesen ist, erkennt auch, was
heute ist und vermag zu überschauen, was morgen sein kann“. (Zitat Willi
Brandt)