Am 9. Mai 1945 endet der 2. Weltkrieg in Europa. Für die Menschen in Europa bedeutet dieser Tag Frieden und die Befreiung vom Faschismus. Dieser Sieg über den Faschismus war hart erkämpft. Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fand auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund eine Feierstunde statt. Bereits am Vormittag fand eine Kranzniederlegung zur Erinnerung an die Kriegsgefangenen des Stalag VI D am Gedenkstein an der Westfalenhalle statt.
Am Nachmittag wurde, während einer Feierstunde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg, mit der Aufstellung zahlreicher Portraits der sowjetischen Kriegsgefangenen gedacht, die in Dortmund ums Leben gebracht und ohne Nennung ihres Namens begraben wurden.
Nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion gerieten 5.000.000 Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Zweidrittel der Männer überleben die ersten Monate ihrer Gefangenschaft nicht. Wer überlebte, wurde von der Wehrmacht zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht, so auch nach Dortmund. In Dortmund wurden die Männer in das Kriegsgefangenlager Stalag VI D an der Westfalenhalle gebracht und von dort zur Zwangsarbeit in die Betriebe im östlichen Ruhrgebiet, im Sauerland und im Münsterland. Wenn sie, wegen der harten Arbeit und der völlig unzureichenden Ernährung nicht mehr arbeitsfähig waren, brachte man sie zurück in das Stalag VI D. In diesem Lager starben tausende Gefangene an fehlender Versorgung und nicht behandelten Krankheiten. Ihr Grab fanden die Männer auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg.
Bisher erinnert der Internationale Friedhof an eine Parklandschaft, es gibt nur wenige Erinnerungen an die Menschen, die hier begraben sind.
Mit der Aufstellung der Portraits sollte den Menschen, die oft ohne Nennung ihres Namens beerdigt wurden, ein Namen und ein Gesicht geben werden.
Mit der Aktion „Der letzte Weg“ sollte am 9. Mai, am Tag des Sieges über das todbringende Regime der Hitlerfaschisten, an die Menschen erinnert werden, die ihr Leben verloren haben.Am Gedenkstein an der Westfalenhalle, genau dort wo sich der Eingang zum Kriegsgefangenenlager Stalag VI D befand, wurde mit den Portraits von 80 dort verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen an die Leiden und den Tod tausender Menschen erinnern. Danach machten sich die Teilnehmer*innen auf den Weg zum internationalenFriedhof. Der Weg, den die Teilnehmer*innen zurücklegten, war für tausende Menschen ihr letzter Weg. Auf dem internationalen Friedhof am Rennweg stellten die Teilnehmer*innen die 80 Portraits der Kriegsgefangenen auf. Für kurze Zeit soll mit der Aktion „Der letzte Weg“ 80 von mehreren tausend Menschen ein Name und ein Gesicht geben werden.
Am 8. bzw. am 9. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Der Sieg der Alliierten über Nazideutschland brachte ganz Europa und auch den Menschen in Deutschland die Befreiung vom Faschismus. Dieser Sieg über Nazideutschland wurde hart erkämpft, viele Menschen haben dafür ihr Leben gegeben.
Einen sehr großen Anteil an diesem Sieg hatten die Menschen aus den unterschiedlichen Republiken der Sowjetunion – heute eigenständige Länder – Die Sowjetunion und die Rote Armee erkämpften diesen Sieg unter unsäglichen Opfern. 10.000.000 Rotarmistinnen und Rotarmisten verloren ihre Leben. Mindesten 17.000.000 Zivilistinnen und Zivilisten wurden ums Leben gebracht. Jede Familie in der ehemaligen Sowjetunion hat Opfer zu beklagen.
Das „Unsterbliche Regiment“
Der Tag des Sieges über den Faschismus ist in vielen Ländern ein Tag der Freude, der besonders feierlich begangen wird. So findet seit einigen Jahren in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion die zivilgesellschaftliche Aktion „Das Unsterbliche Regiment“ statt. Die Menschen erinnern sich und bewahren so die Geschichte ihrer Familienangehörigen, in dem sie auf den Straßen und Plätzen ihrer Stadt das Portrait ihrer Angehörigen zeigen.
Diesen Gedanken haben wir am 9. Mai aufgegriffen und 80 Portraits von sowjetischen Kriegsgefangenen angefertigt, die mit mehrere tausend anderen Kriegsgefangenen in Dortmund starben. In Dortmund befand sich ein großes Kriegsgefangenenlager, das Mannschaftsstammlager Stalag VI D. Männer aus Polen, Frankreich, Serbien, Italien waren in diese Lager eingesperrt. Das schrecklichste Schicksal hatten die sowjetischen Kriegsgefangenen, die im Lager C waren. Sie wurden rassistische verfolgt, gedemütigt und verachtet, ihnen wurden alle Rechte von Kriegsgefangenen abgesprochen. Man brachte sie zur Zwangsarbeit in die Stahlwerke und Rüstungsbetriebe im Ruhrgebiet, in die Betriebe und Einrichtungen im Sauerland und im Münsterland. Tausende überlebten die Zwangsarbeit nicht.
Sie starben im Lazarett des Stalag VI D. Ihr letzter Weg führte sie vom Stalag VI D an der Westfalenhalle über die heutige B1 zum Ausländerfriedhof, wo sie anonym begraben wurden. Heute ähnelt dieser Friedhof einem Park, die Gräber der Verstorbenen sind eingeebnet, es gibt keine Grabsteine, keine Kreuze mit den Namen des Verstorbenen.
Gegen das Vergessen
79 Jahre nach der Befreiung Europas vom Faschismus erinnern sich viele Politiker nicht mehr daran, dass Millionen Sowjetsoldaten dafür ihr Leben gaben. Gegen das Vergessen soll hier nicht mehr gelten. Auch in Dortmund scheint diese Erinnerung nicht zu passen. Außer einem Gedenkstein gibt es keine Erinnerung an das Stalag VI D. Auf dem Internationalen Friedhof erinnert bis heute keine Grab, kein Kreuz und kein Grabstein namentlich an die sowjetischen Kriegsopfer, obwohl ihre Namen bekannt sind. Die lange geplanten Namensstelen wurden bisher nicht auf dem Internationalen Friedhof aufgestellt. Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern dazu werden nicht beantwortet
Die Stadtgesellschaft in Dortmund hat sich gegen das Auftreten von Nazis in ihrer Stadt gewehrt. Doch wer heute ernsthaft gegen Rechtsradikalismus demonstriert und nie wieder Faschismus will, muss sich erinnern, dass die Befreiung Deutschlands ungeheure Opfer der Alliierten und ganz besonders der Sowjetunion gefordert hat.
Gedenken zum 80. Jahrestag des Grubenunglücks auf der Zeche Sachsen in Hamm Heessen
Am 3. April 1944 kam es um 10.15 Uhr auf Zeche Sachsen zu einer Schlagwetterexplosion auf der 3. Sohle in Flöz Präsident. Im Streb befanden sich zu diesem Zeitpunkt 76 sowjetische Kriegsgefangene, die selbständig in diesem Russenstreb arbeiten, und 4 Deutsche als Aufsichtspersonal. 25 Deutsche, 12 sowjetische Kriegsgefangene und 9 Ostarbeiter waren mit anderen Arbeiten am Unglücksort beschäftigt. Außerhalb des direkten Unfallorts starben weitere Bergleute. Ein Grubenwehrtrupp, der die Toten bergen sollte, wurde am Abend von einer weiteren Explosion überrascht. Die Männer erlitten schwere Verletzungen, nur einer überlebte. Die schreckliche Bilanz dieses Unglückstages waren 169 Tote, 101 sowjetische Kriegsgefangene, 56 Deutsche und 12 Ostarbeiter. Unter Tage finden 127 Bergleute ihr gemeinsames Grab, darunter 94 sowjetische Kriegsgefangene.
Der Allgemeine Knappenverein „Glück Auf“ Hamm-Nordenfeldmark Heessen sowie weitere Vereine und Persönlichkeiten der Hammer Politik, darunter der Oberbürgermeister, gedachten am 3. April auf dem Dasbecker Friedhof der Verunglückten von Zeche Sachsen. In Ihrer Ansprach erinnerte die Bezirksbürgermeister von Heessen, Erzina Brennecke, daran, dass der Berg keine Nationalität kennt. Die 167 Bergleute starben ohne Ansehen der Person gemeinsam und 127 von ihnen fanden ihr gemeinsames Grab unter Tage.
Am 27. Januar 2024 fand auf Einladung von Dortmunder Friedensorganisationen eine Lesung mit Berichten aus dem Blockadebuch von Daniil Granin und Ales Adamowitsch statt. Anlass war das Ende der Blockade Leningrads vor 80 Jahren, am 27. Januar 1944.
Rund 70 Menschen waren gekommen. Sie hörten der Lesung mit Aufmerksamkeit und Ergriffenheit zu. 872 Tage lang – vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 – wurde die Stadt von der deutsche Wehrmacht belagert. Ziel war es, die Bevölkerung auszuhungern. Mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger der Stadt starben durch Hunger, Kälte und durch dauernde Fliegerangriffe.
In Tagebüchern und Berichten haben Leningrader und Leningraderinnen ihre Erlebnisse während der Blockade ihrer Stadt festgehalten. 3 Menschen kamen in der Lesung zu Wort, 3 von 3.000.000 Millionen, die in Leningrad eingeschlossen wurden.
Jura Rjabinkin, ein 16- jähriger Schüler Lidia Georgijewna Ochapkina, eine Mutter zweier kleiner Kindern Georgij Alexejewitsch Knjasew, Leiter des Archivs der Akademie der Wissenschaften der UdSSR
Gleichzeitig mit der Lesung war eine kleine Ausstellung zu sehen. 9 Tafeln zeigten das Schicksal der Leningrader Bürger und Bürgerinnen während der 872tägigen Blockade.
Jugendliche und Kinder von russischsprachigen Eltern baten den Historische Verein Ar.kod.M um eine Führung auf dem „sowjetischen Feld“ des Friedhofs Wanne-Eickel. Sie hatten festgestellt, dass in der Schule nicht über das Schicksal sowjetischer Kriegsopfer gesprochen wird, deshalb wollten sie mehr über das Schicksal dieser Menschen, die während des zweiten Weltkrieges im Ruhrgebiet ihr Leben verloren haben, erfahren und über die Kriegsverbrechen der Nazis in der Region.
So trafen sich an einem Samstagmorgen um 9.00 Uhr am Eingang zum Waldfriedhof etwa 10 junge Menschen und ihre Eltern mit dem Vorsitzenden des Historischen Vereins Ar.kod. M, Dmitriy Kostovarov. Dass die Jugendlichen bereit waren so früh am Samstag von zuhause aufzubrechen und an dem Rundgang teilzunehmen, zeigt ihr großes Interesse an diesem Thema.
Um zum Ehrenfeld der sowjetische Kriegsopfer zu gelangen, musste die Gruppe den Friedhof durchqueren, denn das Gräberfeld der sowjetischen Kriegsopfer ist, wie auf allen Friedhöfen, am Rand. Auf dem Gräberfeld befinden sich zahlreiche flache Grabsteine, sog. Grabkissen. Bis zum Ende des 2. Weltkriegs wurden hier 1113 sowjetische Bürger*innen begraben. Heute sind 1266 Namen bekannt, denn nach dem Krieg gab es noch Umbettung von nahegelegenen Friedhöfen. Das Gräberfeld ist in zwei Bereiche unterteilt. Auf dem größeren sind sowjetische Kriegsgefangenen begraben und auf dem kleineren Zivilarbeiter*innen und ihre Kinder. Die Menschen, Kriegsgefangene wie Zivilarbeiter*innen, wurden zur Zwangsarbeit ins Ruhrgebiet verschleppt. Viele kamen ums Leben, weil die Lebens- und Arbeitsbedingungen für sie so hart waren. Viele wurden namenlos begraben. Gab es Namensschilder oder Kreuze auf den Gräbern, so wurden sie oft in der Nachkriegszeit beseitigt.
Die Stadt Herne, mit der Wanne-Eickel seit Januar 1975 zusammengeschlossen ist, hat jedoch dafür gesorgt, dass dieser Ort würdig gestaltet ist. Auf den Gräbern befinden sich Grabsteine mit den Namen der Verstorbenen. Auf diesem Friedhof wird nicht nur der deutsche Kriegsopfer namentlich gedacht, sondern auch der sowjetischen, die andernorts oftmals namenlos bleiben. Dieser Friedhof ist deshalb ein gutes Beispiel für die würdige Gestaltung von Gräbern sowjetischer Kriegsopfer.
Um die namentliche Erinnerung bemüht sich auch ein Projekt das Schulen gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge durchführen, berichtete Dmitriy Kostovarov. Die Schüler*innen forschen nach Namen sowjetischer Kriegsopfer und erstellen Tonziegel mit den Namen der Verstorbenen. Diese Tonziegel werden als Ziegelstelen oder -tafeln auf den jeweiligen Friedhöfen aufgestellt.
Die Jugendlichen waren überrascht, welche Recherchemöglichkeiten es gibt und wie viele Originaldokumente in den verschiedenen Archiven heute zugänglich sind. Der Historische Verein Ar.kod.M hat in den vergangenen Jahren viele umfangreiche Recherchen durchgeführt. Er hat zudem Familien aus der ehemaligen Sowjetunion dabei geholfen ihre während des 2. Weltkriegs im Ruhrgebiet ums Leben gekommene Angehörige zu finden und die Familien beim Besuch des Grabes unterstützt und begleitet.
Der Rundgang hat das Interesse der Jugendlichen geweckt, bei einem kleinen Picknick verabredeten sie ein weiteres Treffen.
Ar.kod.M legte auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund Blumen nieder
Bisher sind die Gräber von mehreren tausend sowjetischen Kriegsopfern auf dem Internationalen Friedhof in Dortmund weitläufige Rasenflächen, nur sehr wenig erinnert an die Menschen, keine Grabinschrift mit ihrem Namen, kein Grabstein und kein Kreuz.
Im Rahmen der Aktion „Holz ist kein Marmor“ hat Ar.kod.M Holztafeln mit den Namen einiger weniger Verstorbener an ihren Gräbern aufgestellt. Damit soll an die lange geplante Aufstellung der Namensstelen erinnert werden. Ar.kod.M legte nun an den Namenstafeln Blumen nieder um der Verstorbenen zu gedenken und die Aufstellung der Namensstelen anzumahnen.
117 Kinder sind auf dem Internationalen Friedhof begraben. An zwei Kinder, die nur wenige Monate alt wurden, erinnern Namenstafeln.
Am 2. September fand auf dem Friedhof des Stalag VI K in Stukenbrock die Mahn-und Gedenkstunde zum Antikriegstag 2023 statt. Der Obelisk auf dem Friedhof erinnert daran, dass dort 65.000 sowjetische Kriegsopfer begraben sind. Die meisten wurden im nahen Kriegsgefangenenlager Stalag (326) VI K ums Leben gebracht. Die Verstorbenen stammen aus allen 15 Sowjetrepubliken. Sie wurden Opfer des Vernichtungskrieges, den Deutschland gegen die Sowjetunion und die sowjetischen Menschen führte.
Etwa 200 Menschen aus der Region und aus ganz Nordrhein-Westfalen waren gekommen um an der Mahn- und Gedenkstunde teilzunehmen und Blumen an den Gräbern niederzulegen. Eingeladen hatte der Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“.
Prof. Dr. Normann Paech, Völkerrechtler aus Hamburg und in diesem Jahr Hauptredner, mahnte die Erinnerung an die sowjetischen Kriegsopfer an. Heute verneigen wir uns in Erinnerung an die Toten vor ihren Gräbern, doch dies macht nur Sinn, wenn wir unserer Verantwortung gerecht werden. Unsere Verantwortung ist Frieden mit Russland, nicht Krieg mit Russland, ist der Schutz des Lebens und der Städte, ist Interessenausgleich. Der Kriegslogik muss eine Friedenslogik entgegengesetzt werden.
Eine Inschrift auf dem Friedhof mahnt die Besucher*innen angesichts der tausenden Kriegsopfer: »Und sorget Ihr, die Ihr noch im Leben steht, dass Frieden bleibt, Frieden zwischen den Menschen, Frieden zwischen den Völkern«.
Der Historische Verein Ar.kod.M erhielt vor kurzem eine Nachricht in der stand: „In einer von Ihnen erstellten Namensliste für den internationale Friedhof Dortmund, haben wir den Namen unseres Großvater gefunden. Leider ist der Name falsch geschrieben- Rebuschapka, aber alle anderen Daten sind eindeutig vom ihm. Stepan Iwanowitsch ist unser Verwandter“. Der Nachricht war seine Photographie beigefügt. Stepan Rjaboschapka starb am 1. Februar 1943 in Dortmund.
Er stammte aus dem Gebiet Odessa, wo er 1898 geboren wurde. Im Sommer 1941 wurde er zur Roten Armee eingezogen. Im Sommer 1942 war er in Rostow am Don. Dort tobte eine erbitterte Schlacht. Die Rote Armee versuchte die Stadt, die sie im Herbst 1941 von der deutschen Wehrmacht zurückerobert hatte, zu verteidigen, musste sich aber Ende Juli geschlagen geben. Stepan Rjaboschapka geriet am 14. Juli 1942 bei der Verteidigung Rostows in deutsche Kriegsgefangenschaft. Man brachte ihn in das 1000 km entfernte Stalag 358 Schitomir. Die Gefangenen mussten lange Fußmärsche zurücklegen. Sie erhielten kaum Verpflegung und Wasser. Der Transport mit der Bahn geschah oft in offenen Waggons. Von Stalag 358 Schitomir brachte man ihn für den Arbeitseinsatz im Ruhrgebiet in das 1500 km entfernte Stalag 326 Senne. Nach den Strapazen eines taglangen Transports ohne ausreichende Nahrung in überfüllten Waggons in sommerlicher Hitze waren die Männer geschwächt, fast verhungert und verdurstet. Vom Stalag 326 kam er nach Dortmund in das Stalag VI D, um zur Arbeit in den Stahlwerken und Rüstungsbetrieben in Dortmund und Umgebung eingesetzt zu werden. Stepan Rjaboschapka starb am 1. Februar 1943 nach nur 201 Tagen in deutscher Kriegsgefangenschaft. Man begrub ihn auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg. Er war 45 Jahren alt und hinterließ eine Ehefrau und 6 Kinder, seine jüngste Tochter war 6 Jahre alt als sie ihren Vater verlor. Elena Rjaboschapka und ihre Kinder blieben jahrzehntelang im Ungewissen. Sie hatten keine Nachricht von ihrem Ehemann und Vater.
Erst nach 80 Jahren fand seine Familie in einer Liste sowjetischer Kriegsopfer des Internationalen Friedhofs in Dortmund seinen Namen. Seine Enkeltochter Natalja wandte sich an den Historischen Verein Ar.kod.M und bat in ihrer Nachricht auch: „Senden Sie uns ein Foto von seinem Grab. Seine Tochter, das letzte von 6 Kindern, lebt heute noch in der Region Odessa. Sie ist 86 Jahre alt und würde sich sehr über ein solches Foto freuen. Meine Schwester lebt zur Zeit in Flensburg und würde gerne irgendwann nach Dortmund kommen, um das Grab zu besuchen.“
Stepan Iwanowitsch Rjaboschapkas Grab liegt am baumbestandenen, efeubewachsenen Rand des Internationalen Friedhofs am Rennweg in Dortmund. Dort erinnert nun eine Photographie mit seinem Namen an ihn.
am 22. Juni 1941 wurde die Sowjetunion von der deutschen Wehrmacht überfallen.
Mit einer Gedenkstunde an der Westfalenhalle erinnert der Förderverein Gedenkstätte Steinwache-Internationales Rombergpark Komitee und Ar.kod.M e.V. am 22. Juni 2023 um 18.00 Uhr an den Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion und an das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen in Dortmund.
Nach dem Hitlerdeutschland die Sowjetunion überfallen hatte, gerieten im Sommer und Herbst 3.000.000 Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Bereits seit Herbst 1939 gab es in Dortmund ein Kriegsgefangenenlager, das Stalag VI D. Die Wehrmacht hatte dafür die Westfalenhalle übernommen und in der Halle ein Lager für polnische und französische Kriegsgefangene eingerichtet. Im September 1941 trafen erstmals sowjetische Kriegsgefangene in Dortmund ein. Auf dem heutigen Messegelände unweit der Westfalenhalle entstand nun im Stalag VI D Dortmund das Lager C für sie.
Lageplan des Lager C im Stalag VI D, Quelle: https://stalag6a6d.fr/AccesPublic/Stalag_VI_D_3.php
Kriegsgefangene leisten Zwangsarbeit
Die Lebensbedingungen im Lager C waren besonders hart. Entkräftet vom langen Weg von den Frontlagern ins Ruhrgebiet, auf dem sie oft weder Wasser und nach Nahrung erhielten, kamen die sowjetischen Kriegsgefangenen im Dortmunder Lager an. Doch auch hier erhielten die Männer nur eine minimale Versorgung. Von Lager aus wurden sie zur Zwangsarbeit auf Zechen, in Stahlwerke und in Rüstungsbetrieben des Ruhrgebiets gebracht. Dort waren sie in umzäunte und bewachte Lagern, den Arbeitskommandos, in der Nähe der Betriebe untergebracht. In den Betrieben mussten die Männer bis zur völligen Erschöpfung schwerste Arbeit leisten. Sie erhielten weder eine ausreichende Ernährung noch geeignete Kleidung für diese Arbeit. Sie litten zudem unter katastrophalen Wohnverhältnissen, mangelnder medizinischer Versorgung und rassistischer Gewalt. Wenn sie völlig erschöpft und nicht mehr arbeitsfähig waren, wurden die Männer in das Stalag VI D zurückgeschickt. Tausende starben dort an den Folgen von Arbeitsunfällen, Krankheiten und Erschöpfung.
Erinnerung heute
Insgesamt gerieten mehr als 5.000.000 Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft, annährend 3.000.000 von ihnen überlebten die Gefangenschaft nicht.
Heute erinnert ein Gedenkstein an das Stalag VI D und das Schicksal der Gefangenen. Der Gedenkstein befindet sich in der Nähe des Eingangsbereichs zu den Messehallen, dort wo einst der Zugang zum Lager C des Stalag VI D war.
Die Familie Gaschto besuchte in Erinnerung an ihren Urgroßvater Wassili Josifowitsch Gaschto die Informations- und Gedenkstätte Stalag VI A und den Friedhof am Höcklinger Weg. Die Familie lebt derzeit in Krefeld. Sie stammt aber aus Mariupol und musste wegen des Krieges in der Ukraine nach Deutschland fliehen. Ihr Urgroßvater hatte als sowjetischer Kriegsgefangener auf der Henrichshütte in Hattingen Zwangsarbeit geleistet und war im Stalag VI A gestorben. Irina Gaschto fand nach längerer Recherche die Personalkarte von Wassili Gaschto. Auf einer Internetplattform sammelte sie weitere Informationen. Nach ihrer Ankunft in Deutschland fasste die Familie den Plan das Grab ihres Urgroßvaters besuchen. Sie statteten auch der Informations- und Gedenkstätte Stalag VI A Hemer einen Besuch ab.
Informations- und Gedenkstätte Stalag VI A HemerFriedhof am Höcklinger Weg, Hemer
Wassili Josifowitsch Gaschto
Wassili Gaschto stammte aus dem Dorf Kasatschi im Gebiet Rostow. Dort wurde er am 24. Juni 1899 geboren. Nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion wurde auch er eingezogen. Im Frühjahr und Sommer 1942 befand sich die Rote Armee auf dem Rückzug. Wassili Gaschto geriet am 8. Mai 1942 bei Feodosia auf der Krim in deutsche Kriegsgefangenschaft. Man brachte ihn wie tausende andere in das Stalag VI K in der Senne, da wurde er registriert. Am 1. August kam er in das Stalag VI A nach Hemer und am 3. August in das Arbeitskommando 1558 auf die Henrichshütte nach Hattingen. Am 8. September kehrte er, bereits schwer erkrankt, nach Hemer zurück.
Mahnmal auf dem Friedhof am Höcklinger Weg in Hemer
Nach kurzer Zeit im Stalag VI A starb Wassili Gaschto am 10. September 1942 an Herzschwäche. Tagelange Fußmärsche ohne Verpflegung und Erholungspausen, lange Zugfahrten in offenen Waggons, Hunger und Durst, die fehlende medizinische Versorgung und die harte Arbeit auf der Henrichshütte hatten seine Gesundheit schnell zerrüttet. Man begrub ihn am 11. September 1942 in einem Massengrab auf dem Friedhof am Höcklinger Weg. Wassili Josifowitsch Gaschto wurde 43 Jahre. Er hinterließ eine Ehefrau und mehrere Kinder.