Stepan Iwanowitsch ist unser Verwandter

Der Historische Verein Ar.kod.M erhielt vor kurzem eine Nachricht in der stand: „In einer von Ihnen erstellten Namensliste für den internationale Friedhof Dortmund, haben wir den Namen unseres Großvater gefunden. Leider ist der Name falsch geschrieben- Rebuschapka, aber alle anderen Daten sind eindeutig vom ihm. Stepan Iwanowitsch ist unser Verwandter“. Der Nachricht war seine Photographie beigefügt. Stepan Rjaboschapka starb am 1. Februar 1943 in Dortmund.

Er stammte aus dem Gebiet Odessa, wo er 1898 geboren wurde. Im Sommer 1941 wurde er zur Roten Armee eingezogen. Im Sommer 1942 war er in Rostow am Don. Dort tobte eine erbitterte Schlacht. Die Rote Armee versuchte die Stadt, die sie im Herbst 1941 von der deutschen Wehrmacht zurückerobert hatte, zu verteidigen, musste sich aber Ende Juli geschlagen geben. Stepan Rjaboschapka geriet am 14. Juli 1942 bei der Verteidigung Rostows in deutsche Kriegsgefangenschaft. Man brachte ihn in das 1000 km entfernte Stalag 358 Schitomir. Die Gefangenen mussten lange Fußmärsche zurücklegen. Sie erhielten kaum Verpflegung und Wasser. Der Transport mit der Bahn geschah oft in offenen Waggons. Von Stalag 358 Schitomir brachte man ihn für den Arbeitseinsatz im Ruhrgebiet in das 1500 km entfernte Stalag 326 Senne.  Nach den Strapazen eines taglangen Transports ohne ausreichende Nahrung in überfüllten Waggons in sommerlicher Hitze waren die Männer geschwächt, fast verhungert und verdurstet. Vom Stalag 326 kam er nach Dortmund in das Stalag VI D, um zur Arbeit in den Stahlwerken und Rüstungsbetrieben in Dortmund und Umgebung eingesetzt zu werden. Stepan Rjaboschapka starb am 1. Februar 1943 nach nur 201 Tagen in deutscher Kriegsgefangenschaft. Man begrub ihn auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg. Er war 45 Jahren alt und hinterließ eine Ehefrau und 6 Kinder, seine jüngste Tochter war 6 Jahre alt als sie ihren Vater verlor. Elena Rjaboschapka und ihre Kinder blieben jahrzehntelang im Ungewissen. Sie hatten keine Nachricht von ihrem Ehemann und Vater.

Erst nach 80 Jahren fand seine Familie in einer Liste sowjetischer Kriegsopfer des Internationalen Friedhofs in Dortmund seinen Namen. Seine Enkeltochter Natalja wandte sich an den Historischen Verein Ar.kod.M und bat in ihrer Nachricht auch: „Senden Sie uns ein Foto von seinem Grab. Seine Tochter, das letzte von 6 Kindern, lebt heute noch in der Region Odessa. Sie ist 86 Jahre alt und würde sich sehr über ein solches Foto freuen. Meine Schwester lebt zur Zeit in Flensburg und würde gerne irgendwann nach Dortmund kommen, um das Grab zu besuchen.“

Stepan Iwanowitsch Rjaboschapkas  Grab liegt am baumbestandenen, efeubewachsenen Rand des Internationalen Friedhofs am Rennweg in Dortmund. Dort erinnert nun eine Photographie mit seinem Namen an ihn.

Immerwährende Erinnerung

Der Historische Verein Ar.kod.M hat am 22. Juni sein Projekt „Holz ist kein Marmor“ fortsetzen und 4 weitere Holztafeln auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund aufgestellt. Das Datum ist bewusst gewählt.

Am 22. Juni 1941 überfiel Hitlerdeutschland die Sowjetunion und führte einen Vernichtungskrieg. Dabei ging es nicht nur um die Vernichtung der Staatlichkeit. Es ging um Lebensraum im Osten, dafür sollten Millionen Menschen in der Sowjetunion sterben oder versklavt werden.


Doch der Vernichtungskrieg gegen die Menschen aus der Sowjetunion und Osteuropa setzte sich auch im Ruhrgebiet fort. Die Menschen wurden verschleppt und mussten auf den Zechen, den Stahlwerken und den Betrieben im Ruhrgebiet Zwangsarbeit leisten. Den Menschen mangelte es an ausreichender Nahrung, angemessener Kleidung. Sie litten unter katastrophalen Wohnverhältnissen und fehlender medizinischer Versorgung. Sie mussten bis zur völligen Erschöpfung arbeiten. Die Gefahr Arbeitsunfälle zu erleiden war doppelt so hoch wie bei deutschen Arbeiter*innen. Viele starben an diesem harten Leben. In Dortmund legen tausende Gräber auf dem Internationalen Friedhof davon Zeugnis ab.

Mit den 4 Holztafeln erinnern wir an:

Andrej Turanskij, 44 Jahre, Pjotr Olenikow, 68 Jahre, sind auf dem Internationalen Friedhof auf Feld 6 begraben.

Grigorij Loginow, 51 Jahre und Stepan Gozakow, 35 Jahre, sind auf dem Internationalen Friedhof auf Feld 8 begraben.

Über Andrej Turanskij, Pjotr Olenikow und Grigorij Loginow ist wenig bekannt. Wir wissen nichts über ihr Leben und ihr Sterben in Dortmund. Wir haben nur ihre Namen, ihr Alter und ihren Sterbetag in langen Todeslisten gefunden.

Einzig von Stepan Gozakow wissen wir mehr.

Stepan Gozakow wurde am 30.7.1909 im Dorf Tursona im Gebiet Orlow geboren, verheiratet war er und von Beruf Müller. Als Rotarmist geriet er am 11.7.1943 in deutsche Kriegsgefangenschaft und durchlief verschiedene Lager bis er schließlich im August 1943 auf die Zeche Hansemann nach Dortmund Mengede kam. Im Juni 1944 brachte man ihn auf die Zeche Minister Stein, wo er am 16.8.1944 einen Arbeitsunfall erlitt und seinen schweren Kopfverletzungen erlag. Drei Tage später begrub man ihn auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg auf Feld 8, Grabnummer 5. Da war er 35 Jahre alt.

Erinnern Gedenken Mahnen

am 22. Juni 1941 wurde die Sowjetunion von der deutschen Wehrmacht überfallen.

Mit einer Gedenkstunde an der Westfalenhalle erinnert der Förderverein Gedenkstätte Steinwache-Internationales Rombergpark Komitee und Ar.kod.M e.V. am 22. Juni 2023 um 18.00 Uhr an den Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion und an das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen in Dortmund.

Das Kriegsgefangenenlager an der Westfalenhalle

Nach dem Hitlerdeutschland die Sowjetunion überfallen hatte, gerieten im Sommer und Herbst 3.000.000 Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Bereits seit Herbst 1939 gab es in Dortmund ein Kriegsgefangenenlager, das Stalag  VI D. Die Wehrmacht hatte dafür die Westfalenhalle übernommen und in der Halle ein Lager für polnische und französische Kriegsgefangene eingerichtet. Im September 1941 trafen erstmals sowjetische Kriegsgefangene in Dortmund ein. Auf dem heutigen Messegelände unweit der Westfalenhalle entstand nun im Stalag VI D Dortmund das Lager C für sie.

Lageplan des Lager C im Stalag VI D, Quelle: https://stalag6a6d.fr/AccesPublic/Stalag_VI_D_3.php

Kriegsgefangene leisten Zwangsarbeit

Die Lebensbedingungen im Lager C waren besonders hart. Entkräftet vom langen Weg von den Frontlagern ins Ruhrgebiet, auf dem sie oft weder Wasser und nach Nahrung erhielten, kamen die sowjetischen Kriegsgefangenen im Dortmunder Lager an. Doch auch hier erhielten die Männer nur eine minimale Versorgung. Von Lager aus wurden sie zur Zwangsarbeit auf Zechen, in Stahlwerke und in Rüstungsbetrieben des Ruhrgebiets gebracht. Dort waren sie in umzäunte und bewachte Lagern, den Arbeitskommandos, in der Nähe der Betriebe untergebracht. In den Betrieben mussten die Männer bis zur völligen Erschöpfung schwerste Arbeit leisten. Sie erhielten weder eine ausreichende Ernährung noch geeignete Kleidung für diese Arbeit. Sie litten zudem unter katastrophalen Wohnverhältnissen, mangelnder medizinischer Versorgung und rassistischer Gewalt. Wenn sie völlig erschöpft und nicht mehr arbeitsfähig waren, wurden die Männer in das Stalag VI D zurückgeschickt. Tausende starben dort an den Folgen von Arbeitsunfällen, Krankheiten und Erschöpfung.

Erinnerung heute

Insgesamt gerieten mehr als 5.000.000 Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft, annährend 3.000.000 von ihnen überlebten die Gefangenschaft nicht.

Heute erinnert ein Gedenkstein an das Stalag VI D und das Schicksal der Gefangenen. Der Gedenkstein befindet sich in der Nähe des Eingangsbereichs zu den Messehallen, dort wo einst der Zugang zum Lager C des Stalag VI D war.

Holz ist kein Marmor

4 weitere Holztafel auf dem Internationalen Friedhof aufgestellt

Der Internationale Friedhof erinnert heute mit seinen weitläufigen Rasenflächen mehr an einen Park als an einen Friedhof. Die meisten Toten haben keinen Grabstein, keine namentliche Erinnerung. In ihrer großen Mehrzahl blieben die sowjetischen Kriegsopfer hier bis heute namenlos und leider lässt die geplante Aufstellung der Namensstelen, die den Verstorbenen ihren Namen und damit auch ein Stück ihre Würde zurückgeben könnte, auf sich warten. Deshalb errichtete der Historische Verein Ar.kod.M hier auf dem Internationalen Friedhof vier weitere Holztafeln. Doch Tafeln aus Holz können die erwarteten Namensstelen nicht ersetzten, denn Holz ist kein Marmor.

Wir erinnern an:

Roman Egorenko und Konstantin Sklerow

Roman Egorenko wurde im Jahr 1890 geboren. Über sein Leben und sein Schicksal als Zwangsarbeiter in Dortmund wissen wir nichts. Er starb am 4. Juli 1942 in Dortmund und wurde auf dem Internationalen Friedhof in Dortmund begraben. Seine Bestattung war die erste uns bekannte auf Feld 4.

Konstantin Sklerow wurde im Jahr 1924 geboren. Man verschleppte ihn zur Zwangsarbeit nach Dortmund. Am 2. August 1943 starb er in Dortmund und wurde auf dem Internationalen Friedhof begraben. Seine Bestattung war die letzte uns bekannte von Zivilisten auf Feld 4.

Wir erinnern an:

Georgij Maganakow und Georgij Gebnischwili

Georgij Gebnischwili wurde am 23. August 1900 in Dorf Tschimljak bei Tiflis geboren, er war verheiratet. Am 22. September 1942 geriet er bei Naltschik in deutsche Kriegsgefangenschaft. Sein letzter Arbeitseinsatz war in Dortmund Hörde. Er starb am 31. Dezember 1943 und wurde auf dem Internationalen Friedhof begraben. Seine Bestattung war die erste uns bekannte auf Feld 7.

Georgij Maganakow, wurde im Jahr 1904 geboren, von Beruf war er Bergarbeiter. Am 10. Juli 1942 geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er kam in das Mannschaftsstammlager VI K danach nach Dortmund und von dort zum Arbeitseinsatz auf die Zeche Hansa in Huckarde. Er starb 11. September 1944. Seine Bestattung war die letzte uns bekannte auf Feld 7.

Kinder waren die unschuldigsten Opfer

Mit der Aufstellung von weiteren Holztafeln auf den Grabfeldern 9, 13 und 19 gedachte der Historische Verein Ar.kod.M e.V. am 2. Mai 2023 vier Menschen, die auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg begraben sind.

Die Holztafeln erinnern an:
zwei Erwachsene – Sinaida Bakumenko und Hasi Fardinow

und an zwei Kindern – Nikolaj Scharpan und Karina Sewostjanowa

Das Schicksal der Zwangsarbeiterinnen und ihrer Kinder war besonders tragisch. Die jungen Frauen und Mädchen wurden zumeist aus der Ukraine verschleppt. Bis zum Herbst 1942 wurden Schwangere aus der Zwangsarbeit entlassen und in ihre Heimat zurückgeschickt, danach gab es keine Entlassung aus der Zwangsarbeit mehr. Geburten und Sterbefälle in den Lagern, in denen Zwangsarbeiterinnen aus der ehemaligen Sowjetunion waren, wurden von der Stadt Dortmund mitleidlos registriert. Der kleine Nikolaj Scharpan wurde nur ein Jahr alt. Seine Beerdigung ist als letzte Besetzung auf dem Feld Nummer 9 eingetragen. Sein trauriges Schicksal teilten leider viele Kinder. Mehr als 100 Kinder sind auf Feld 9 begraben. In Grab 202 wurden Maria Tischinirowa, 1 Jahr und Iwan Iwantschuk, beerdigt, in Grab 203 Stanislaw Bonas, 4 Wochen, und Wasilij Makow, 2 Jahre. Die Beisetzung von Kindern setzte sich fort bis zum Grab 300. Dort liegen Zhanetta Stepanowa, 1 Jahr, und Nikolaj Scharpan, ebenfalls 1 Jahr. Insgesamt sind 117 Todesfälle von Kindern auf dem Internationalen Friedhof offiziell registriert. Die lückenhaften Registrierungspapiere lassen noch weitere verstorbene Kinder vermuten.

Ihre Mütter mussten auch während der Schwangerschaft und nach der Geburt schwerste Arbeit leisten. Die Ernährung war schlecht, eine gesundheitliche Versorgung für die jungen Mütter und ihre Kinder gab es nicht. Die Frauen hatte kaum Möglichkeiten ihre Kinder zu versorgen, so hatten die Kinder nur geringe Überlebenschancen. Genau das war die Absicht der Nazis. Diese Kinder sollten nicht überleben, ihre Mütter wurden nur als Arbeitskräfte gebraucht.
Auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg sind Beerdigungen von Kindern auf den Felder 9, 13 und 19 bekannt. Diese Kinder sind die unschuldigsten Opfer des Krieges, wir erinnern an diese unschuldigen Seelen mit besonderer Erschütterung.

Erinnerung an Wassili Josifowitsch Gaschto

Die Familie Gaschto besuchte in Erinnerung an ihren Urgroßvater Wassili Josifowitsch Gaschto die Informations- und Gedenkstätte Stalag VI A und den Friedhof am Höcklinger Weg.
Die Familie lebt derzeit in Krefeld. Sie stammt aber aus Mariupol und musste wegen des Krieges in der Ukraine nach Deutschland fliehen. Ihr Urgroßvater hatte als sowjetischer Kriegsgefangener auf der Henrichshütte in Hattingen Zwangsarbeit geleistet und war im Stalag VI A gestorben. Irina Gaschto fand nach längerer Recherche die Personalkarte von Wassili Gaschto. Auf einer Internetplattform sammelte sie weitere Informationen. Nach ihrer Ankunft in Deutschland fasste die Familie den Plan das Grab ihres Urgroßvaters besuchen. Sie statteten auch der Informations- und Gedenkstätte Stalag VI A Hemer einen Besuch ab.

Wassili Josifowitsch Gaschto

Wassili Gaschto stammte aus dem Dorf Kasatschi im Gebiet Rostow. Dort wurde er am 24. Juni 1899 geboren.
Nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion wurde auch er eingezogen. Im Frühjahr und Sommer 1942 befand sich die Rote Armee auf dem Rückzug. Wassili Gaschto geriet am 8. Mai 1942 bei Feodosia auf der Krim in deutsche Kriegsgefangenschaft. Man brachte ihn wie tausende andere in das Stalag VI K in der Senne, da wurde er registriert. Am 1. August kam er in das Stalag VI A nach Hemer und am 3. August in das Arbeitskommando 1558 auf die Henrichshütte nach Hattingen. Am 8. September kehrte er, bereits schwer erkrankt, nach Hemer zurück.

Mahnmal auf dem Friedhof am Höcklinger Weg in Hemer

Nach kurzer Zeit im Stalag VI A starb Wassili Gaschto am 10. September 1942 an Herzschwäche. Tagelange Fußmärsche ohne Verpflegung und Erholungspausen, lange Zugfahrten in offenen Waggons, Hunger und Durst, die fehlende medizinische Versorgung und die harte Arbeit auf der Henrichshütte hatten seine Gesundheit schnell zerrüttet. Man begrub ihn am 11. September 1942 in einem Massengrab auf dem Friedhof am Höcklinger Weg. Wassili Josifowitsch Gaschto wurde 43 Jahre. Er hinterließ eine Ehefrau und mehrere Kinder.

Mahngang auf dem Internationalen Friedhof

Am Karfreitag fand auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund ein Mahngang statt.  Dmitriy Kostovarov erinnerte mit einer kurzen Ansprache an die sowjetischen Kriegsopfer:

Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

würde ich alle bekannten Namen der sowjetischen Kriegsopfer, die hier begraben sind, verlesen, würde das 6 Stunden und 13 Minuten dauern . 4473 Namen sowjetischer Kriegsopfer sind bekannt, wie viele es wirklich sind, wissen wir bis heute nicht. Diese Menschen sind in Dortmund ums Leben gekommen, sie stammten aus alle 15 Sowjetrepubliken und sehr viele von ihnen kam aus der Ukraine.

Erinnerung an Mark Sabeljewitsch Bolschakow

Heute möchte ich an einen Verstorbenen erinnern.
Mark Sabeljewitsch Bolschakow, er wurde am 12. September 1912 geboren, von Beruf war er Elektromonteur. Er stammte aus dem Dorf Lewino im Gebiet Tambow, das auf halber Strecke zwischen Moskau und Wolgograd liegt. Bereits am 23. Juni 1941 geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft und kam in ein Gefangenenlager in Ostpreußen. Er wollte sich mit der Gefangenschaft nicht abfinden und unternahm dort Fluchtversuche. Deshalb durfte er das Lager nicht mehr verlassen. Seine Personalkarte hat den Vermerk „Achtung“ und „Darf nicht mehr in Arbeitseinsatz“. Mehr als 2 Jahre verbrachte er in Lagern in Ostpreußen. An 3. September 1943 wurde er in das westfälische Hemer in das Kriegsgefangenenlager Stalag VI A gebracht und von dort zum Arbeitseinsatz auf die Zeche Hugo in Gelsenkirchen-Buer. Dort unternahm er einen weiteren Fluchtversuch, er wurde gefasst und in ein Straflager nach Dortmund auf die Zeche Dorstfeld gebracht. Gemeinsam mit Alexej Pawlowskij, dessen Bild auf Feld 3 zu sehen ist, unternahm er am 22. Dezember 1943 einen weiteren Fluchtversuch. Bei diesem Fluchtversuch wurden beide erschossen. Mark Bolschakow ist, wie auch Alexej Pawlowskij, auf Feld 3 begraben. Seit kurzem erinnert eine Holztafel an Mark Bolschakow. Diese Holztafel wurde durch eine private Initiative auf Feld 3 aufgestellt. Aber viele Jahrzehnte gab es für ihn, wie für alle sowjetischen Kriegsopfer keine namentliche Erinnerung. Der Friedhof erinnert auch heute mehr an einen Park als an eine Begräbnisstätte.

Die Gräber wurden eingeebnet

Stellen wir vor wie der Friedhof Ende 1945 aussah. Überall hier auf 11 Gräberfelder standen 1320 weiße Kreuze für Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen und deren Kinder. Auf jedem Kreuz war ein Name. Dazwischen standen auf den 621 Gräbern der verstorbenen Kriegsgefangenen, deren Namen bekannt waren, Holzstangen und Blechschilder mit ihren Namen und Erkennungsmarkennummern. Mehr als 3000 verstorbene Kriegsgefangene aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag VI D, das in Dortmund an der Westfalenhalle war, wurden laut Sterbebuch anonym begraben, ohne Kreuz, ohne Erinnerung.

Stellen wir uns vor auf diesem Friedhof ständen heute 4473 Kreuze für die sowjetische Kriegsopfer, deren Namen wir kennen. Die große Zahl der Kreuze würden das Ausmaß des Leidens und Sterbens der sowjetischen Kriegsopfer augenfällig machen. Doch Kreuze kamen für die Landesregierung Ende der 1950ziger Jahre nicht in Frage. Die Landesregierung entschied, dass der Preis von 70 DM je Kreuz bei der Vielzahl der Grabmale zu hoch sei. Die Gräber wurden eingeebnet. Es entstand die parkähnliche Anlage, wie wir sie heute sehen.

Erst vor 8 Jahren wurde ein Projekt ins Leben gerufen. Endlich sollten die sowjetischen Kriegsopfer namentlich genannt werden. 58 Stelen aus Marmor sollten auf den Grabfeldern aufgestellt werden. Dieses Projekt wurde bis heute nicht realisiert. Die Stadt Dortmund nennt, trotz Anfrage, bis heute die Gründe nicht. Doch es ist an der Zeit, dass auch der sowjetischen Kriegsopfer mit ihren Namen gedacht wird
.

Vier Holztafeln erinnern an sowjetische Kriegsopfer

Der Historische Verein Ar.kod.M errichtete auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund vier Holztafeln. Erinnert wird mit diesen Holztafeln an :

Michail Danilowitisch Liwar
Er wurde 1907 in Poltawa geboren, er war verheiratet. Am 17. Februar 1942 geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft. Sein letzter Arbeitseinsatz war in Dortmund Eving. Er starb am 11. Januar 1943 an Herzschwäche und wurde in Grab 1 auf Feld 3 begraben.

Mark Sabeljewitsch Bolschakow

Er  wurde 12. September 1912 im Dorf Lewina geboren. Am 23. Juni 1941 geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft. Gemeinsam mit Alexej Pawlowskj, unternahm er am 22. Dezember 1943 einen Fluchtversuch. Bei diesem Fluchtversuch wurden beide erschossen. Mark Bolschakow ist, ebenso wie Alexej Pawlowskij, auf Feld 3 begraben.

Fratia Pawlowa
Sie wurde im Jahr 1915 geboren. Über ihr Leben und ihr Schicksal als Zwangsarbeiterin in Dortmund wissen wir nichts. Sie starb am 17. Mai 1945 in Dortmund und wurde auf Feld 19, Grab 67, begraben. Ihre Beerdigung dort ist das erste bekannte Begräbnis auf Feld 19.

Illarion Maiborod,
Er wurde am 20. Oktober 1904 in Stalino, dem heutigen Donezk, geboren. Fälschlicherweise wird er bis heute unter dem Namen Illarion Ualibard geführt.  Er wurde nach Dortmund zur Zwangsarbeit verschleppt. Am 12.September 1944 starb er in Dortmund und wurde auf Feld 9 begraben.

Wie für große Mehrzahl der sowjetischen Kriegsopfer, gibt es auch für die vier Verstorben bisher keine namentliche Erinnerung, keinen Grabstein, keine Namensstele. Sie sind bis heute namenlos. Mit der Aufstellung  der vier Holztafeln sollen die vier Verstorben ihre Namen zurückerhalten.

Gleichzeitig soll die Aufstellung der Tafeln eine Mahnung für die Stadt Dortmund sein endlich die 58 geplanten Stelen mit den Namen der sowjetischen Kriegsopfer auf dem Internationalen Friedhof zu errichten, denn Holz ist kein Marmor. Holztafeln können die geplanten Stelen nicht ersetzen.

Gedenken an die verunglückten Bergleute auf Zeche Sachsen

Auf Einladung des Knappenvereins Heessen fand auf dem Dasbecker Friedhof eine Gedenkstunde zur Erinnerung an das Grubenunglück auf Zeche Sachsen statt.

Am 3. April 1944 ereignete sich im Flöz Präsent durch Entzündung eines Gas-Luft-Gemischs eine Schlagwetterexplosion. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten 80 Bergleute im Streb, 76 sowjetische Kriegsgefangene und 4 deutsche Arbeiter. Weitere 52 Bergleute, 25 deutsche Arbeiter, 18 sowjetische Kriegsgefangene und 12 polnische und sowjetische Zivilarbeiter waren im Streckenvortrieb und in der Strebförderung beschäftigt. Bei Rettungs- und Löscharbeiten starben weitere Bergleute. Dieses Grubenunglück war das schwerste, das sich je auf der Zeche Sachsen ereignete. Die schreckliche Bilanz waren 169 Tote, 127 fanden ihr Grab unter Tage.

An der Gedenkstunde auf dem Dasbecker Friedhof nahmen der Oberbürgermeister der Stadt Hamm, Marc Herter, und die Bezirksbürgermeisterin des Stadtbezirks Hamm-Hessen, Erzina Brenneke, teil und ein Vertreter der Gewerkschaft IGBCE . In ihren Ansprachen wiesen sie darauf hin, dass der Berg keine Nationalitäten kennt. Gemeinsam fanden die Bergleute bei dem verheerenden Grubenunglück am 3. April 1944 unter Tage den Tod und viele von ihnen auch ein gemeinsames Grab.

Stellvertretende für die Verstorben stellen wir Seinal Aliew vor, der am 3. April auf Zeche Sachsen anfuhr und bei dem Grubenunglück starb.

Seinal Aliew wurde 1898 in der SSR Aserbaidschan geboren und ist Landarbeiter.

Anfang Juli 1942 gerät er bei Stary Oskol unweit von Woronesch in Kriegsgefangenschaft. Er kommt zunächst in das Kriegsgefangenenlager Stalag 339 bei Kiew. Ende Februar 1943 bringt man ihn in das Stalag IX B Fallingbostel, wo er Registrierungspapier erhält. Dort muss er in zwei verschiedenen Arbeitskommandos Zwangsarbeit leisten.

Am 4. September 1943 verlegt man ihn in das Stalag VI K Senne und am 8. September in das Arbeitskommando 506R Zeche Sachsen.

Erinnerung an Alexej Schwez

Der Historische Verein Ar.kod.M e.V. erinnerte an den sowjetischen Kriegsgefangenen Alexej Schwez. Das Gedenken fand auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund statt, wo mehrere tausenden sowjetischen Kriegsopfern ohne eine namentliche Erinnerung begraben sind.

Alexej Schwez war 40 Jahre alt, als er im Kriegsgefangenenlager (Stalag VI D) in Dortmund starb. Er stammte aus Gebiet Nikolajew in der heutigen Ukraine. Über ihn und seinen Schicksal in der Kriegsgefangenschaft wissen wir wenig. Vielleicht musste, wie viele andere, auf den Zechen des Ruhrgebiets Zwangsarbeit leisten.

Ab Herbst 1942 wurden sowjetische Kriegsgefangene im Bergbau eingesetzt , um den Energiebedarf für die Stahlwerke und Rüstungsbetriebe zu sichern und den Arbeitskräftemangel zu beseitigen, der durch die Einberufung von Bergleuten zur Wehrmacht entstanden war. Tausende Gefangene wurden im Mannschaftsstammlager VI K (326) in der ostwestfälischen Senne registriert und dann in das Stalag VI A im sauerländischen Hemer gebraucht. Von dort kamen die Gefangenen sofort in die Arbeitskommandos auf den Zechen des Ruhrgebiets. Viele Gefangene waren da bereits geschwächt. Für die Erhaltung und Wiederherstellung ihrer Gesundheit wurde nichts getan. In Betrieben und Zechen mussten sie dennoch sehr hart arbeiten, ohne dass sie ausreichende Ernährung, Kleidung und Unterkunft erhielten. Viele Gefangene erkrankten aufgrund der mangelnden Fürsorge schwer. Waren sie nicht mehr arbeitsfähig, brachte man sie in Dortmund in das Stalag VI D. Das Lager befand sich an der Westfalenhalle auf dem heutigen Messegelände.

Alexej Schwez ist am Nachmittag des 6. Novembers 1943 im Mannschaftsstammlager (Stalag) VI D Dortmund an Lungen-Tbc gestorben. Er wurde auf dem Internationalen Friedhof auf Feld II in Grab 1840 beerdigt.