Zwei Tafeln für das Projekt „Holz ist kein Marmor“

Das Projekt wird fortgesetzt

Mit der Aufstellung von zwei  Namenstafeln hat der Historische Verein Ar.kod.M e.V. an Fedor Gurej und Michail Struss erinnert. Beide stammten aus der Westukraine. Sie kamen als Landarbeit ins Deutsche Reich. Wann sie ankamen, ob sie sich anwerben ließen oder gegen ihren Willen ins Deutsche Reich verschleppt wurden ist nicht bekannt.  

Der Weg ins Deutsche Reich

Fedor Gurej wurde am 2. August 1919 in einem Dorf im Kreis Lemberg in der Westukraine geboren. Auf seinem Ärztlichen Gutachten vom April 1943 findet sich der Vermerk, dass er 18. 4. 1941 in der Entlausung war. Ein Schreibfehler oder hatte Feder bereits im April 1941 die Sowjetunion verlassen und war zur Arbeit als Landarbeiter in Deutsche Reich gekommen?

Michail Struss wurde im Jahr 1907 im Dorf Hamerec im Westen der Ukraine geboren, da gehörte der Westen der Ukraine, Galzien, noch zum Habsburger Reich. Nach dem ersten Weltkrieg hatte die Westukraine einmal mehr eine wechselvolle Geschichte. Zunächst wurde sie polnisch, dann kam sie 1939 zur Sowjetunion. Die Menschen mussten mit den wechselnden  politischen Verhältnissen in ihrer Heimat zurechtkommen.

Wahrscheinlich waren Fedor und Michail in ihrer Heimat Bauern oder Landarbeiter. Auch im Deutschen Reich arbeiteten sie zunächst in der Landwirtschaft.

Zwangsarbeit auf Dortmunder Zechen

Doch als der Arbeitskräftemangel auf den Zechen des Ruhrgebiets durch die vermehrte Einberufung von Bergleuten zur Wehrmacht zunahm, mussten auch Fedor und Michael auf einer Zeche arbeiten. In Nazideutschland waren Fedor und Michail Ostarbeiter, daher waren sie der rassistischen Gesetzgebung für Zivilarbeiter aus der Sowjetunion unterworfen. Bevor sie auf die Zeche kamen, wurden sie auf Bergbautauglichkeit untersucht.

Arbeitskarte von Michail Struss

Michail war bergbautauglich. Am 27. November 1942 kam er auf die Zeche Fürst Hardenberg.  Dort blieb er 14 Monate. Seine letzte Schicht macht er am 22. Januar 1944. Er erlitt an diesem Tag einen Arbeitsunfall an dem der am 27. Januar 1944 starb. Er war 37 Jahre alt.

Gesundheitszeugnis von Fedor Gurej

Fedor kam, nach einer Untersuchung auf Bergbautauglichkeit am 26. April 1943, auf die Zeche Zollern nach  Bövinghausen, Schacht 2/4. Dort arbeitete er als Schlepper. Als Schlepper musste er die vollen Förderwagen aus dem Abbau ziehen und zu den Schächten befördern. Am 8. Mai 1943 wurde er nach Kirchlinde nach Zollern 1/3 versetzt. Auch hier arbeitete er als Schlepper. Am 15. Oktober 1944 erlitt er einen Unfall, an dem er starb. Da war er 23 Jahre alt.

Michail und Fedor wurden auf dem Ausländerfriedhof auf  Gräberfeldern für sowjetischen Zivilarbeiter begraben. Ihre Namen sind auf keinem Grabmal verzeichnet. Nur zwei Holztafeln erinnern an sie. 

9. Mai 2025 – Feierstunde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg

Den Menschen einen Namen und ein Gesicht geben

Am 9. Mai 1945 endet der 2. Weltkrieg in Europa. Für die Menschen in Europa bedeutet dieser Tag Frieden und die Befreiung vom Faschismus. Dieser Sieg über den Faschismus war hart erkämpft.
Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fand auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund eine Feierstunde statt.
Bereits am Vormittag fand eine Kranzniederlegung zur Erinnerung an die Kriegsgefangenen des Stalag VI D am Gedenkstein an der Westfalenhalle statt.

Am Nachmittag wurde, während einer Feierstunde auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg, mit der Aufstellung zahlreicher Portraits der sowjetischen Kriegsgefangenen gedacht, die in Dortmund ums Leben gebracht und ohne Nennung ihres Namens begraben wurden.

Nach dem Überfall Hitlerdeutschlands  auf die Sowjetunion gerieten 5.000.000 Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Zweidrittel der Männer überleben die ersten Monate ihrer Gefangenschaft nicht. Wer überlebte, wurde von der Wehrmacht zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht, so auch nach Dortmund.
In Dortmund wurden die Männer in das Kriegsgefangenlager Stalag VI D an der Westfalenhalle gebracht und von dort zur Zwangsarbeit in die Betriebe im östlichen Ruhrgebiet, im Sauerland und im Münsterland. Wenn sie, wegen der harten Arbeit und der völlig unzureichenden Ernährung nicht mehr arbeitsfähig waren, brachte man sie zurück in das Stalag VI D. In diesem Lager starben tausende Gefangene an fehlender Versorgung und nicht behandelten Krankheiten. Ihr Grab fanden die Männer auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg.

Bisher erinnert der Internationale Friedhof an eine Parklandschaft, es gibt nur wenige Erinnerungen an die Menschen, die hier begraben sind.

Mit der Aufstellung der Portraits sollte den Menschen, die oft ohne Nennung ihres Namens beerdigt wurden, ein Namen und ein Gesicht geben werden.  

Das Projekt „Holz ist keine Marmor“ wird fortgesetzt

Am Karfreitag haben wir das Projekt „Holz ist keine Marmor“ fortgesetzt und 4 Namenstafeln zur Erinnerung an 4 Menschen aufgestellt, die auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund begraben sind.
4 Menschen –  4 Namen von mehr als 4700 inzwischen bekannten Namen. Noch finden sich auf dem Internationalen Friedhof sich nur wenige namentliche Erinnerungen an die sowjetischen Kriegsopfer.  
Wir haben am Karfreitag vier Menschen gedacht: Elena Stepanjek und Gennadij Karpowitsch, Grigorij Petrischin und Sergej Tschereschnin

Elena Stepanjek


Wir wissen wenig über Elena Stepanjek und die Umstände des Todes dieses kleinen Mädchens. Ihre Mutter war wohl Zwangsarbeiterin in Dortmund und brachte ihr Kind mit, in der Hoffnung es hier versorgen zu können. Das kleine Mädchen wurde hier Lina genannt, so steht es auf ihrer Sterbeurkunde. Dort steht: Mutter und Vater sind unbekannt. Starb das kleine Mädchen allein? War da keine Mama, die die Hand der kleinen Elena hielt, kein Papa, der das sein kleines Mädchen tröstete. Die kleine Elena starb in der Nacht zum 27. April 1945, kurz vor dem Ende des 2. Weltkriegs als Dortmund schon befreit war.

Gennadij Karpowitsch

Gennadij wurde im Jahr 1921  im Gebiet Minsk geboren. Er war in der Landwirtschaft tätig. Als Angehörige gibt er Anna Karpowitsch an, wahrscheinlich seine Mutter. Oft blieben die Frauen mit ihren Kindern allein zurück, ihre Söhne und Ehemänner waren als Soldaten im Krieg.
Gennadij war 20 Jahre alt als er als Soldat in den Krieg ziehen musste. Am 15. Mai 1942 geriet er in Kertsch auf der Krim mit tausenden anderen Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Schnell wurden die  Gefangenen in das Kriegsgefangenenlager Stalag 326 Senne gebracht. Die Fahrt nach Westen, zusammengedrängt in Viehwaggons, ohne Wasser, ohne Nahrung,  dauerte Tag. Geschwächt kamen die Männer im Spätsommer 1942 im Stalag 326 in der Senne an. Gennadij bleibt nicht lange im Stalag 326 in der westfälischen Senne. Er kam nach Dortmund in das Kriegsgefangenen Stalag VI D an der Westfalenhalle. Am 11. Oktober 1942 starb er in Dortmund. Er wurde anonym auf dem Ausländerfriedhof begraben.

Grigorij Petrischin und Sergej Tschereschnin

Grigorij und Sergej wurden als Jugendliche zur Zwangsarbeit nach Dortmund verschleppt. Die Beiden  erlebten harte Arbeit, Schläge, schlechtes Essen und permanente Angst.

Ihre Lebensbedingungen glichen denen der Kriegsgefangenen: 3-stöckige Etagenbetten, einmal am Tag Steckrübensuppe, Kaffeeersatz morgens und abends, ein Laib Brotersatz zur Hälfte aus Sägemehl für fünf Personen. Wie die Kriegsgefangenen mussten die jugendlichen Ostarbeiter in zwei Schichten arbeiten. Zwölf Stunden Tag- und zwölf Stunden Nachtschicht, im wöchentlichen Wechsel. Ein besonderes Schutzbedürfnis wurde den Jugendlichen nicht zuerkannt.

Grigorij  wurde am 14. August 1926 geboren. Als er nach Dortmund kam war er 15 Jahre. Er war im Arbeitslager auf der Huckarder Straße und musste als Jugendlicher auf Union Zwangsarbeit leisten.  Er starb in der Nacht zum 11. September 1942 im Arbeitslager Huckarder Straße. Da war er 16 Jahre.


Sergej wurde am 21. Dezember 1928 geboren. Er stammt aus Lischansk. Als er nach Dortmund kam war er 14 oder 15 Jahre alt. Er starb in der Nacht zum 23. Mai 1944 während eines Fliegerangriffs. Da war er 16 Jahre alt. Er starb im Bombenhagel, denn er durfte, wie alle Zwangsarbeiter*innen, die Schutzräume nicht aufzusuchen.

„Der letzte Weg“

Eine Aktion am 9. Mai gegen das Vergessen

Mit der Aktion „Der letzte Weg“ sollte am 9. Mai, am Tag des Sieges über das todbringende Regime der Hitlerfaschisten, an die Menschen erinnert werden, die ihr Leben verloren haben. Am Gedenkstein an der Westfalenhalle, genau dort wo sich der Eingang zum Kriegsgefangenenlager Stalag VI D befand, wurde mit den Portraits von 80 dort verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen an die Leiden und den Tod tausender Menschen erinnern. Danach machten sich die Teilnehmer*innen auf den Weg zum internationalenFriedhof. Der Weg, den die Teilnehmer*innen zurücklegten, war für tausende Menschen ihr letzter Weg. Auf dem internationalen Friedhof am Rennweg stellten die Teilnehmer*innen die 80 Portraits der Kriegsgefangenen auf. Für kurze Zeit soll mit der Aktion „Der letzte Weg“ 80 von mehreren tausend Menschen ein Name und ein Gesicht geben werden.

Am 8. bzw. am 9. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Der Sieg der Alliierten über Nazideutschland brachte ganz Europa und auch den Menschen in Deutschland die Befreiung vom Faschismus. Dieser Sieg über Nazideutschland wurde hart erkämpft, viele Menschen haben dafür ihr Leben gegeben.

Einen sehr großen Anteil an diesem Sieg hatten die Menschen aus den unterschiedlichen Republiken der Sowjetunion – heute eigenständige Länder – Die Sowjetunion und die Rote Armee erkämpften diesen Sieg unter unsäglichen Opfern. 10.000.000 Rotarmistinnen und Rotarmisten verloren ihre Leben. Mindesten  17.000.000 Zivilistinnen und Zivilisten wurden ums Leben gebracht. Jede Familie in der ehemaligen Sowjetunion hat Opfer zu beklagen.

Das „Unsterbliche Regiment“

Der Tag des Sieges über den Faschismus ist in vielen Ländern ein Tag der Freude, der besonders feierlich begangen wird. So findet seit einigen Jahren in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion die zivilgesellschaftliche Aktion „Das Unsterbliche Regiment“ statt. Die Menschen erinnern sich und bewahren so die Geschichte ihrer Familienangehörigen, in dem sie auf den Straßen und Plätzen ihrer Stadt das Portrait ihrer Angehörigen zeigen.

Diesen Gedanken haben wir am 9. Mai  aufgegriffen und 80 Portraits von sowjetischen Kriegsgefangenen angefertigt, die mit mehrere tausend anderen Kriegsgefangenen in Dortmund starben.
In Dortmund  befand sich ein großes Kriegsgefangenenlager, das Mannschaftsstammlager Stalag VI D. Männer aus Polen, Frankreich, Serbien, Italien waren in diese Lager eingesperrt. Das schrecklichste Schicksal hatten die sowjetischen Kriegsgefangenen, die im Lager C waren. Sie wurden rassistische verfolgt, gedemütigt und verachtet, ihnen wurden alle Rechte von Kriegsgefangenen abgesprochen. Man brachte sie zur Zwangsarbeit in die Stahlwerke und Rüstungsbetriebe im Ruhrgebiet, in die Betriebe und Einrichtungen im Sauerland und im Münsterland. Tausende überlebten die Zwangsarbeit nicht.

Sie starben im Lazarett des Stalag VI D. Ihr letzter Weg führte sie vom Stalag VI D an der Westfalenhalle über die heutige B1 zum Ausländerfriedhof, wo sie anonym begraben wurden. Heute ähnelt dieser Friedhof einem Park, die Gräber der Verstorbenen sind eingeebnet, es gibt keine Grabsteine, keine Kreuze mit den Namen des Verstorbenen.

Gegen das Vergessen

79 Jahre nach der Befreiung Europas vom Faschismus erinnern sich viele Politiker nicht mehr daran, dass Millionen Sowjetsoldaten dafür ihr Leben gaben. Gegen das Vergessen soll hier nicht mehr gelten.
Auch in Dortmund scheint diese Erinnerung nicht zu passen. Außer einem Gedenkstein gibt es keine Erinnerung an das Stalag VI D. Auf dem Internationalen Friedhof erinnert bis heute keine Grab, kein Kreuz und kein Grabstein namentlich an die sowjetischen Kriegsopfer, obwohl ihre Namen bekannt sind. Die lange geplanten Namensstelen wurden bisher nicht auf dem Internationalen Friedhof aufgestellt. Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern dazu werden nicht beantwortet

Die Stadtgesellschaft in Dortmund hat sich gegen das Auftreten von Nazis in ihrer Stadt gewehrt. Doch wer heute ernsthaft gegen Rechtsradikalismus demonstriert und nie wieder Faschismus will, muss sich erinnern, dass die Befreiung Deutschlands ungeheure Opfer der Alliierten und ganz besonders der Sowjetunion gefordert hat.

Das Projekt „Holz ist keine Marmor“ wird fortgesetzt

Während des Gedenkens zum Karfreitag wurden 28. März auf dem Internationalen Friedhof 3 Namenstafeln errichtet. Damit wird das Projekt „Holz ist keine Marmor“ fortgesetzt. Namentlich erinnert wurde an Michail Emeljanowitsch Kasanjuk, Galina Laktionowa und Nina Guniwa, die auf dem Internationalen Friedhof Rennweg begraben sind.

Galina Laktionowa

Galina Laktionowa kam als junges Mädchen nach Dortmund. Sie war eine Teenagerin, 17 oder 18 Jahre alt und musste in Dortmund Zwangsarbeit leisten. Von den annähernd 5.000.000 sowjetischen Zwangsarbeiter*innen wurden, neben den Kriegsgefangenen, auch fast 3.000.000 Zivilpersonen aus der Sowjetunion nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt. 4/5 waren Mädchen und junge Frauen. Die Zwangsarbeit war somit jung und weilblich. Die jüngsten waren erst 13 Jahre alt. Von Galina Laktionowa wissen wir heute nicht mehr als ihren Namen und ihr Geburtsjahr 1925. Sie starb am 8. März 1945 in Dortmund und wurde auf dem Internationalen Friedhof auf Feld 13 begraben.

Michail Emeljanowitsch Kasanjuk

Michail Emeljanowitsch Kasanjuk musste auf der Zeche Kaiserstuhl Zwangsarbeit leisten. Er war 22 Jahre alt als er im Bombenhagel in Dortmund starb. Michael wurde am 8.10.1921 in Dorf Timanowka bei Kiew geboren. Nach seiner Schulzeit machte er eine Ausbildung zum Schlosser.

Am 17. April 1941 wurde er zum Militärdienst nach Batumi in Georgien, das damals zur Sowjetunion gehörte, einberufen. Der Angriff Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 gab auch seinem Leben eine tragische Wende. Schon im August 1941 geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft. Zunächst kam er in ein frontnahes Lager in Ostrow-Komorowo in Polen und im September 1941 in das Stalag (Mannschaftsstammlager) 310 (XI C) nach Bergen-Belsen in Niedersachsen. Er wurde unter der Erkennungsmarke-Nr. 13982 registriert und leistete Zwangsarbeit in Bau Bataillon 151 bei Altengrabow im heutigen Sachsen-Anhalt.

Im Dezember 1942 brachte man Michail in das Stalag VI A im sauerländischen Hemer und von dort sofort in das Arbeitskommando 607R Zeche Kaiserstuhl in Dortmund. Die Zeche Kaiserstuhl war damals in Besitz von Hoesch. Auf den Zechen des Ruhrgebiets herrschte durch die Einberufung junger Bergleute zur Wehrmacht Arbeitskräftemangel, der durch den Einsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen behoben werden sollte. So wurden die Kriegsgefangenen zu zehntausenden auf die Zechen gebracht. Bei dem Bombenangriff auf Dortmund am 5. Mai 1943 starb Michail zusammen mit 193 weiteren  Kriegsgefangenen des Arbeitskommandos 607R. Die sterblichen Überreste der Getöteten wurden auf Feld 4 des Internationalen Friedhofs ohne Nennung der Namen begraben.

Nina Guniwa

Nina Guniwa wurde im August 1945 geboren. Sie wurde nur wenige Wochen alt. Nina kam wahrscheinlich in einem Lager für displaced persons in Dortmund zur Welt. Sie war zu schwach und konnte nicht überleben. Von Nina wissen wir nur ihren Namen, ihr ungefähres Geburtsdatum und ihren Todestag. Sie wurde auf Feld 16 des Internationalen Friedhofs begraben. Auf diesem Feld befinden sich 117 Kindergräber. Die Mütter der verstorbenen Kinder mussten Zwangsarbeit in Dortmund leisten und konnten ihre Kinder deshalb nicht ausreichend versorgen.

Iwan Pestrikow

Er wurde am 09. Juli 1913 im Gebiet Kirow geboren. Er war verheiratet und in der Landwirtschaft tätig. Als er in am 3. Juli 1941 in Lettland in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet, stand er im Rang eines Unterleutnants und war stellvertretender Kompaniechef. Im August 1942 kam er in das Mannschaftsstammlager (Stalag) X B Sandbostel. Dort wurde er registriert und erhielt die Erkennungsmarkennummer 132529. Man brachte ihn am 23. August 1943 in das Stalag VI A nach Hemer und von dort am 28. August 1943 in das Arbeitskommando 756R Zeche Hansa in Dortmund Huckarde. Am 2. November 1943 unternahm er einen Fluchtversuch. Er wurde auf der Flucht erschossen und 2 Tage später auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg auf Feld 3 begraben. Er war 30 Jahre alt.

Die Gräber sind Rasenflächen

Ar.kod.M legte auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund Blumen nieder

Bisher sind die Gräber von mehreren tausend sowjetischen Kriegsopfern auf dem Internationalen Friedhof in Dortmund weitläufige Rasenflächen, nur sehr wenig erinnert an die Menschen, keine Grabinschrift mit ihrem Namen, kein Grabstein und kein Kreuz.

Im Rahmen der Aktion „Holz ist kein Marmor“ hat Ar.kod.M Holztafeln mit den Namen einiger weniger Verstorbener an ihren Gräbern aufgestellt. Damit soll an die lange geplante Aufstellung der Namensstelen erinnert werden. Ar.kod.M legte nun an den Namenstafeln Blumen nieder um der Verstorbenen zu gedenken und die Aufstellung der Namensstelen anzumahnen.

117 Kinder sind auf dem Internationalen Friedhof begraben. An zwei Kinder, die nur wenige Monate alt wurden, erinnern Namenstafeln.

Stepan Iwanowitsch ist unser Verwandter

Der Historische Verein Ar.kod.M erhielt vor kurzem eine Nachricht in der stand: „In einer von Ihnen erstellten Namensliste für den internationale Friedhof Dortmund, haben wir den Namen unseres Großvater gefunden. Leider ist der Name falsch geschrieben- Rebuschapka, aber alle anderen Daten sind eindeutig vom ihm. Stepan Iwanowitsch ist unser Verwandter“. Der Nachricht war seine Photographie beigefügt. Stepan Rjaboschapka starb am 1. Februar 1943 in Dortmund.

Er stammte aus dem Gebiet Odessa, wo er 1898 geboren wurde. Im Sommer 1941 wurde er zur Roten Armee eingezogen. Im Sommer 1942 war er in Rostow am Don. Dort tobte eine erbitterte Schlacht. Die Rote Armee versuchte die Stadt, die sie im Herbst 1941 von der deutschen Wehrmacht zurückerobert hatte, zu verteidigen, musste sich aber Ende Juli geschlagen geben. Stepan Rjaboschapka geriet am 14. Juli 1942 bei der Verteidigung Rostows in deutsche Kriegsgefangenschaft. Man brachte ihn in das 1000 km entfernte Stalag 358 Schitomir. Die Gefangenen mussten lange Fußmärsche zurücklegen. Sie erhielten kaum Verpflegung und Wasser. Der Transport mit der Bahn geschah oft in offenen Waggons. Von Stalag 358 Schitomir brachte man ihn für den Arbeitseinsatz im Ruhrgebiet in das 1500 km entfernte Stalag 326 Senne.  Nach den Strapazen eines taglangen Transports ohne ausreichende Nahrung in überfüllten Waggons in sommerlicher Hitze waren die Männer geschwächt, fast verhungert und verdurstet. Vom Stalag 326 kam er nach Dortmund in das Stalag VI D, um zur Arbeit in den Stahlwerken und Rüstungsbetrieben in Dortmund und Umgebung eingesetzt zu werden. Stepan Rjaboschapka starb am 1. Februar 1943 nach nur 201 Tagen in deutscher Kriegsgefangenschaft. Man begrub ihn auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg. Er war 45 Jahren alt und hinterließ eine Ehefrau und 6 Kinder, seine jüngste Tochter war 6 Jahre alt als sie ihren Vater verlor. Elena Rjaboschapka und ihre Kinder blieben jahrzehntelang im Ungewissen. Sie hatten keine Nachricht von ihrem Ehemann und Vater.

Erst nach 80 Jahren fand seine Familie in einer Liste sowjetischer Kriegsopfer des Internationalen Friedhofs in Dortmund seinen Namen. Seine Enkeltochter Natalja wandte sich an den Historischen Verein Ar.kod.M und bat in ihrer Nachricht auch: „Senden Sie uns ein Foto von seinem Grab. Seine Tochter, das letzte von 6 Kindern, lebt heute noch in der Region Odessa. Sie ist 86 Jahre alt und würde sich sehr über ein solches Foto freuen. Meine Schwester lebt zur Zeit in Flensburg und würde gerne irgendwann nach Dortmund kommen, um das Grab zu besuchen.“

Stepan Iwanowitsch Rjaboschapkas  Grab liegt am baumbestandenen, efeubewachsenen Rand des Internationalen Friedhofs am Rennweg in Dortmund. Dort erinnert nun eine Photographie mit seinem Namen an ihn.

Immerwährende Erinnerung

Der Historische Verein Ar.kod.M hat am 22. Juni sein Projekt „Holz ist kein Marmor“ fortsetzen und 4 weitere Holztafeln auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg in Dortmund aufgestellt. Das Datum ist bewusst gewählt.

Am 22. Juni 1941 überfiel Hitlerdeutschland die Sowjetunion und führte einen Vernichtungskrieg. Dabei ging es nicht nur um die Vernichtung der Staatlichkeit. Es ging um Lebensraum im Osten, dafür sollten Millionen Menschen in der Sowjetunion sterben oder versklavt werden.


Doch der Vernichtungskrieg gegen die Menschen aus der Sowjetunion und Osteuropa setzte sich auch im Ruhrgebiet fort. Die Menschen wurden verschleppt und mussten auf den Zechen, den Stahlwerken und den Betrieben im Ruhrgebiet Zwangsarbeit leisten. Den Menschen mangelte es an ausreichender Nahrung, angemessener Kleidung. Sie litten unter katastrophalen Wohnverhältnissen und fehlender medizinischer Versorgung. Sie mussten bis zur völligen Erschöpfung arbeiten. Die Gefahr Arbeitsunfälle zu erleiden war doppelt so hoch wie bei deutschen Arbeiter*innen. Viele starben an diesem harten Leben. In Dortmund legen tausende Gräber auf dem Internationalen Friedhof davon Zeugnis ab.

Mit den 4 Holztafeln erinnern wir an:

Andrej Turanskij, 44 Jahre, Pjotr Olenikow, 68 Jahre, sind auf dem Internationalen Friedhof auf Feld 6 begraben.

Grigorij Loginow, 51 Jahre und Stepan Gozakow, 35 Jahre, sind auf dem Internationalen Friedhof auf Feld 8 begraben.

Über Andrej Turanskij, Pjotr Olenikow und Grigorij Loginow ist wenig bekannt. Wir wissen nichts über ihr Leben und ihr Sterben in Dortmund. Wir haben nur ihre Namen, ihr Alter und ihren Sterbetag in langen Todeslisten gefunden.

Einzig von Stepan Gozakow wissen wir mehr.

Stepan Gozakow wurde am 30.7.1909 im Dorf Tursona im Gebiet Orlow geboren, verheiratet war er und von Beruf Müller. Als Rotarmist geriet er am 11.7.1943 in deutsche Kriegsgefangenschaft und durchlief verschiedene Lager bis er schließlich im August 1943 auf die Zeche Hansemann nach Dortmund Mengede kam. Im Juni 1944 brachte man ihn auf die Zeche Minister Stein, wo er am 16.8.1944 einen Arbeitsunfall erlitt und seinen schweren Kopfverletzungen erlag. Drei Tage später begrub man ihn auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg auf Feld 8, Grabnummer 5. Da war er 35 Jahre alt.

Holz ist kein Marmor

4 weitere Holztafel auf dem Internationalen Friedhof aufgestellt

Der Internationale Friedhof erinnert heute mit seinen weitläufigen Rasenflächen mehr an einen Park als an einen Friedhof. Die meisten Toten haben keinen Grabstein, keine namentliche Erinnerung. In ihrer großen Mehrzahl blieben die sowjetischen Kriegsopfer hier bis heute namenlos und leider lässt die geplante Aufstellung der Namensstelen, die den Verstorbenen ihren Namen und damit auch ein Stück ihre Würde zurückgeben könnte, auf sich warten. Deshalb errichtete der Historische Verein Ar.kod.M hier auf dem Internationalen Friedhof vier weitere Holztafeln. Doch Tafeln aus Holz können die erwarteten Namensstelen nicht ersetzten, denn Holz ist kein Marmor.

Wir erinnern an:

Roman Egorenko und Konstantin Sklerow

Roman Egorenko wurde im Jahr 1890 geboren. Über sein Leben und sein Schicksal als Zwangsarbeiter in Dortmund wissen wir nichts. Er starb am 4. Juli 1942 in Dortmund und wurde auf dem Internationalen Friedhof in Dortmund begraben. Seine Bestattung war die erste uns bekannte auf Feld 4.

Konstantin Sklerow wurde im Jahr 1924 geboren. Man verschleppte ihn zur Zwangsarbeit nach Dortmund. Am 2. August 1943 starb er in Dortmund und wurde auf dem Internationalen Friedhof begraben. Seine Bestattung war die letzte uns bekannte von Zivilisten auf Feld 4.

Wir erinnern an:

Georgij Maganakow und Georgij Gebnischwili

Georgij Gebnischwili wurde am 23. August 1900 in Dorf Tschimljak bei Tiflis geboren, er war verheiratet. Am 22. September 1942 geriet er bei Naltschik in deutsche Kriegsgefangenschaft. Sein letzter Arbeitseinsatz war in Dortmund Hörde. Er starb am 31. Dezember 1943 und wurde auf dem Internationalen Friedhof begraben. Seine Bestattung war die erste uns bekannte auf Feld 7.

Georgij Maganakow, wurde im Jahr 1904 geboren, von Beruf war er Bergarbeiter. Am 10. Juli 1942 geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er kam in das Mannschaftsstammlager VI K danach nach Dortmund und von dort zum Arbeitseinsatz auf die Zeche Hansa in Huckarde. Er starb 11. September 1944. Seine Bestattung war die letzte uns bekannte auf Feld 7.