Ein tragisches Kapitel in der Geschichte der Stadt Dortmund sind die Ereignisse in der Bittermark im Frühjahr 1945. Gemeint ist das grausame Verbrechen der Nazis in den letzten Kriegstagen. Kurz nach dem Kriegsende wurde die Massenmorde bekannt. Was in den Gestapoleuten vorging, die Hunderte der eingesperrten Opfer erschossen haben, können wir nur vermuten. Geschah es aus Wut über den verlorenen Krieg oder war es der Versuch die Verbrechen zu verbergen? Zu den Opfern dieser Tat zählen Hunderte von Gefangenen aus Gestapohaft. Selbst die Anzahl der Erschossenen gibt bis heute Anlass für weitere Recherchen. In der Broschüre „Katyn im Rombergpark“ ist zunächst die Rede von drei Begräbnisorten mit 100, 99 und 2 Leichnamen, insgesamt also 201. Wenige Seiten später wird von 238 Opfern berichtet, die auf verschiedenen Friedhöfen, unter anderem in Aplerbeck und Hörde, beerdigt wurden. 1954 wurde entschieden eine gemeinsame Grabstätte in der Bittermark zu schaffen. Zu diesem Zeitpunk wird in der Literatur schon von 254 Toten berichtet. Ist es möglich, dass einige der 18 im Johannes-Hospital in Hörde verstorbenen „Sowjets“ mit umgebettet wurden? Heute sind nur 12 sowjetische Namen in Hörde auf Kreuzen zu sehen. Die anderen 6 werden nicht mehr erwähnt. Seit einigen Jahren wird von 309 oder von über 300 „Opfern in der Bittermark“ gesprochen.
Noch mysteriöser erscheint die Suche nach den Namen der Opfer. Verständlicherweise wurden Opfer der Gestapo aus Dortmund und Umgebung von Familienangehörigen identifiziert. Im Buch Beutel/Klose „Katyn in Romberg-Park“, Seite 26, wird das Vorgehen sehr präzise beschrieben. Dort gibt es ein paar Stellen, bei denen die Identifizierung nicht so eindeutig ist. Eine Leiche wurde nur anhand „einer Narbe auf der Hand“ wiedererkannt. Mehrere Körper wurden überhaupt nicht von Familien identifiziert, sie wurden aber trotzdem „als wahrscheinliche Opfer“ namentlich genannt. Dazu zählen auch Personen, die in den letzten Tagen u.a. in Bochum, Hagen, Witten, Lüdenscheid oder Herdecke verhaftet wurden und zum möglichen „Abtransport nach Dortmund“ bestimmt waren. Viele sind aufgrund von Meinungsäußerungen oder ihrer politischen Auffassungen spurlos verschwunden. Das war für ihre Familien ganz schrecklich.
Äußerst
schlechter ist die Beweislage bei der Identifizierung von
ausländischen Opfern. Keiner der Ermordeten hatte Papiere,
Erkennungsmarken oder andere privaten Gegenstände dabei. Eine
Aussage aus der Nachkriegszeit in den Akten der Staatsanwaltschaft,
die in dem Buch „Mit Stacheldraht gefesselt – Die Rombergparkmorde.
Opfer und Täter“, von Lore Junge, Seite 129, zitiert wird, besagt
dass ein LKW nach der Fahrt zum Erschießungsort mit allen
Kleidungsstücken zurückgekommen ist. Das widerspricht den
Textstellen, die beschreiben, dass die Familien ihre Verwandten
anhand von Kleidungsresten identifiziert haben. Wie kann es sein,
dass nach mehreren Jahren eine große Zahl der westlichen Opfer
identifiziert wurde? Welche Beweise gibt es für diese Behauptungen?
In der Veröffentlichung – „Mit Stacheldraht gefesselt – Die
Rombergparkmorde. Opfer und Täter“, L. Junge, wird nur
beschrieben, dass mehrere Menschen verschiedener Nationen gefasst und
später vielleicht zur Gestapo nach Hörde abtransportiert wurden.
Reicht das als Beweis für die Eintragung in die „Opferliste“?
Wir versuchen den Beweisen zu folgen und uns ein Bild von den
Nachforschungen zu machen. Die Identifizierung der ersten
Opfergruppe, der Deutschen, ist trotz einiger Zweifel noch
glaubwürdig. Warum werden in den
Veröffentlichungen von Detlev Peukert, aus den Jahren 1976
und von Lore Junge, aus dem Jahr 1999 plötzlich die Namen von
anderen Gestapo-Opfern genannt? Gab es eine wissenschaftliche Arbeit,
die neue Dokumente ausfindig gemacht hat? Gibt es eine neue
Beweislage? In den verfügbaren Publikationen wird nichts darüber
berichtet. Als Grundlage der Veröffentlichungen werden die Namen aus
früheren Publikationen genannt. Es stellt sich die Frage, ob es
ausreicht einmal in einem Text zu erscheinen, um als Gestapo-Opfer,
das in der Bittermark ermordet wurde, anerkannt zu werden?
Wir
haben die verfügbaren Dokumente auf eine andere Art untersucht. Was
haben alle genannten Namen gemeinsam? Unsere Ergebnisse zeigen, dass
all diese Menschen in den letzten Monaten aus „politischen“ und
„wirtschaftlichen“ Gründen verhaftet und zu einer Gestapostelle
gebracht wurden. Das Wichtigste aber ist, dass alle diese Namen den
Vermerk „entlassen“ oder „von Gestapo entlassen“ tragen. Die
Gestapo hat diese Menschen nicht frei gelassen. Dieser Vermerk war
für die Inhaftierten das Todesurteil. Ab und zu findet man noch
Vermerke wie „Transport“, oder „ von Gestapo abgeholt“. Aber
solche Vermerke bedeuteten bereits 1942 das Todesurteil. Das könnte
bedeuten, dass möglicherweise alle Gestapo-Inhaftierten der letzten
Kriegsmonate als Erschossene in der Bittermark gewürdigt werden
könnten, weitere Nachforschungen sind deshalb unbedingt
notwendig.
Ein besonderer Anlass für unsere Arbeit ist das
Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter*innen.
In Akten aus der Nachkriegszeit lesen wir, dass die meisten der in
der Bittermark erschossenen Personen Ostarbeiter und Sowjets seien.
Ein Dokument der britischen Kommission besagt, dass vermutlich 95
„Russen“ in der Bittermark ermordet wurden. In einem anderen
Texten ist zu lesen, dass ein Widerstandskämpfer und vier Russen
abtransportiert wurden. Die Gestapo-Akten zeigen, dass auch
sowjetische Bürger in den letzten Monaten mit der Begründung
„politisch“ oder „Arbeitsverweigerung“ in Gestapo – Haft
genommen wurden. Und mindestens 87 von ihnen hatten als Vermerk
„entlassen“. Weitere 20 „Russen“ haben den Vermerk
„abtransportiert“. Bis heute wurde kein Name der Genannten unter
den Überlebenden oder Befreiten gefunden. Selbstverständlich hat
kein Mensch aus UdSSR eine Anfrage zum Verbleib ihrer Verwandten nach
Deutschland gesandt. Während westliche Kriegsgefangene und
Zivilisten mit ihren Familien die ganze Zeit Kontakt hatten, hatten
„Sowjets“ keine Möglichkeit über ihre Unterbringung zu
berichten. Sie waren und bleiben „unbekannte Opfer“ dieses
grausamen Krieges. Dagegen müssen wir etwas tun!!!